Kulturhauptstadt: Neue Details zum Bewerbungsverfahren

10.3.2018, 06:00 Uhr
Kulturhauptstadt: Neue Details zum Bewerbungsverfahren

© Viola Bernlocher

In kleinen Schritten, aber doch einigermaßen entschlossen, bewegt sich die Bewerbung Nürnbergs um den Titel "Europäische Kulturhauptstadt" auf ihr erstes großes Zwischenziel zu: Die Abgabe des Bewerbungsbuches, des sogenannten Bid-Books, im Spätsommer oder Herbst 2019, bei der Expertenjury der EU.

Hans-Joachim Wagner, der im Januar seinen Posten als Leiter des Nürnberger Kulturhauptstadtbüros angetreten hat und nun gut zwei Monate im Amt ist, zeigte sich im Presseclub sicher, dass Nürnberg diese Hürde schaffen und es auf die Shortlist, also in die zweite Auswahlrunde, schaffen wird. Ende Januar wurden in der vom Stadtrat verabschiedeten Kulturstrategie sieben richtungsweisende Themengruppen für Nürnbergs kulturelle Entwicklung bis zum Jahr 2030 formuliert. Hauptziel sei es im Moment, diese zu drei Hauptthemen zu bündeln. Diese sollen dann im Bid-Book ausgearbeitet werden.

Zentral sei zum einen "die europäische Dimension", was bei einem von der EU vergebenen Kulturhauptstadttitel nicht verwundert: Inwieweit taugt Nürnberg in EU-Krisenzeiten als Vorbild für die europäische Idee? Zum Zweiten sei eine "zukunftsgerichtete Erinnerungskultur" sehr wichtig. Wie habe sich Nürnberg nach der Zeit des Faschismus - Stadt der Reichsparteitage, der Nürnberger Gesetze und schließlich der Nürnberger Prozesse - als "Stadt der Menschenrechte" neu definiert, fragt Wagner.

Bevölkerung mitnehmen

Drittes zentrales Thema der Bewerbung werden Zukunft und Wandel der Arbeit unter dem Gesichtspunkt der voranschreitenden Digitalisierung sein. Nürnberg habe den industriellen Strukturwandel mit den großen Werksschließungen am Ende des 20. Jahrhunderts sehr gut verkraftet, so Wagner, die Stadt wandle sich derzeit in eine postindustrielle Bildungs- und Wissenschaftsstadt und knüpfe damit an ihre historische Vorreiterrolle im Mittelalter an – mit damals hoher Alphabetisierungsquote, der frühen Gründung des Melanchthon-Gymnasiums und einer Akademie der Künste.

Noch wichtiger als diese drei Kernthemen sei es aber, die Bevölkerung Nürnbergs bei der Kulturhauptstadtbewerbung mitzunehmen, so Wagner. Deshalb solle dieser Prozess der Stadtentwicklung hoch partizipativ erfolgen – und zwar nach dem Prinzip der "aufsuchenden Partizipation". "Wir fragen die Bevölkerung: 'Was wollt ihr'?", sagte Wagner. Um dieses Anliegen zu transportieren und die Bewerbung über das bislang hauptsächlich beteiligte Kulturveranstaltungspublikum und die Funktionsträger hinaus zu kommunizieren, gebe es nicht nur einen frisch eingestellten Mitarbeiter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Wagners Team, sondern seit einer Woche einen neuen Facebook-Account des Bewerbungsbüros. 

Hans-Joachim Wagner, Leiter des Nürnberger Kulturhauptstadtbüros, gab am Dienstagabend im Presseclub eine optimistische Prognose ab.

Hans-Joachim Wagner, Leiter des Nürnberger Kulturhauptstadtbüros, gab am Dienstagabend im Presseclub eine optimistische Prognose ab. © F.: Hippel

Noch wichtiger sei es, dass ab 15. April ein sogenannter "open call" auf einer Internetplattform beginne. Dort kann nicht nur jede/r Bürger/in dieser Stadt Ideen für das Kulturhauptstadtjahr äußern, es wird dann auch online über diese Ideen abgestimmt. Wagner formulierte seine Idealvorstellung: "Am besten wäre es, die Bürger gestalten den Kulturhauptstadtbewerbungsprozess selbst."

Dass da nicht unbedingt Projekte in den Vordergrund rücken würden, die den offiziell angedachten drei Hauptthemen entsprechen, musste das Bewerbungsteam bereits erfahren: Bei den bislang geäußerten Wünschen der Nürnberger stehen mehr Radwege und eine möglichst autofreie Innenstadt im Vordergrund. Wagner hat ähnliche Erfahrungen schon vorher gemacht: Bei der erfolgreichen Bewerbung von Essen und dem Ruhrgebiet im Jahr 2010 seien die schönsten Ereignisse der "Day of Songs" - 70.000 Menschen trafen sich in der Schalker Arena zum gemeinsamen Singen - und die eintägige Sperrung der Autobahn A 40, die Essen zerschneidet, gewesen. Im dänischen Aarhus sei 2017 am besten eine Glocke angekommen, die bei jedem Neugeborenen läutete.

Kultur oder Kitsch - was die Forderungen sind

Ist das Kultur oder Kitsch? Nicht nur die Forderungen nach Radwegen zeigt, dass es bei Nürnbergs Bewerbung um einen sehr weit gefassten Kulturbegriff gehen wird. So sollen über die Idee des Spielens auch die Kommunen der Metropolregion eingebunden werden; eine zentrale Rolle nehme dabei das Spielzeugmuseum und das neue Spielehaus im Pellerhaus ein, betonte Wagner. Dabei gehe die Stadt aktiv auf Kinder und Jugendliche zu, ein Workshop mit Achtjährigen habe gezeigt, dass diese bei Europa vor allem an das Essen denken - von der Pizza über Bratwurst bis zum Döner. Womit sich für Nürnberg das zentrale Bewerbungsmotto "Stadt der Gerüche" durchaus anbieten würde. Dieses aber entsprang dem Hörfehler eines Diskussionsteilnehmers im Presseclub, als Wagner erläuterte, dass das ursprünglich angedachte Motto "Nürnberg - Stadt der Brüche" wieder vom Tisch sei.

Nicht nur über das Motto, das der gesamten Bewerbung Nürnbergs die Stoßrichtung geben soll, sondern auch über die drei Hauptthemen entscheidet letztlich die Stadtspitze, allen voran OB Ulrich Maly und Kulturreferentin Julia Lehner. Damit stößt die ausgerufene Partizipation dann an ihre Grenzen. Auch Wagner selbst sieht sich nicht nur als Moderator des Bewerbungsprozesses, sondern als
Ideengeber.

Die Rolle von Albrecht Dürer im Jahr 2025 

Für die Rolle, die Albrecht Dürer im Jahr 2025 spielen soll, hat er schon konkrete Pläne, will sie aber noch nicht verraten. Bei seinem Vorschlag, die Glocken der Innenstadtkirchen zu einem Konzert zu vereinen, erfuhr er im Presseclub, dass es ein sehr ähnliches Projekt schon beim Stadtjubiläum im Jahr 2000 gab. Auch über die Finanzen entscheiden letztlich die politischen Verantwortlichen. Die immer wieder genannten Summe von fünf Millionen Euro, die in Nürnberg angeblich für die erste Stufe der Bewerbung bis zur Abgabe des Bid-Books in Brüssel zur Verfügung stehen, bezeichnete Wagner vieldeutig als "Chimäre".

Durchaus Raum für Interpretationen lässt auch die Aussage von Stadtkämmerer Harald Riedel zu, mit dem Wagner letzte Woche gesprochen hat. Man müsse vom Standpunkt der Finanzen aus Nürnberg als Kulturhauptstadt "maximal radikal" denken, habe ihm Riedel gesagt, so Wagner. Dessen Idealvorstellung vom Finanzbedarf einer optimalen Bewerbung klingt dabei so radikal wie unbescheiden: "100 Millionen Euro wären gut", so Wagner.

Interaktive Karte - diese Städte waren bereits Kulturhauptstadt: 

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