Lauer Abend für die Liebe

10.7.2016, 18:47 Uhr
Lauer Abend für die Liebe

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Nicht nur der Sommerabend im nahezu ausverkauften Serenadenhof ist äußerst lau, sondern auch der Start mit „Music was my first love“ von John Miles. Der Klassiker führt zwar thematisch schön ein und ist ja schon im Original recht üppig orchestriert. Doch nicht nur das Arrangement des Rostocker Musikhochschulprofessors Benjamin Köthe hat viele Schwächen, sondern die Symphoniker haben mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen.

Thilo Wolf ist natürlich kein klassischer Dirigent. Zwar gibt er klare Tempi vor, doch sind Einsätze selten vorbereitet, was bei Profis aber eigentlich kein Problem sein sollte. Wird durchgehend auf eine E-Gitarre verzichtet, die vor allem bei diesem Song aus dem Jahr 1976 eine tragende Rolle hat, dann muss umso mehr Präzision und auch Präsenz im Vordergrund stehen. Wofür der Dirigent nun aber wirklich nichts kann sind die vielen Intonationsschwankungen und das verkorkste Trompetensolo.

Farbe ins Spiel bringen

Beim letzten Refrain kommen dann doch noch die beiden Sänger hinzu, nehmen den Weg von hinten seitlich am Orchester vorbei und hören sich offensichtlich selber nicht ganz so gut, weil die Monitoranlage wie üblich vorne steht. Dafür sehen sie gut aus. Schön bunte Kleidung haben sie sich ausgesucht und der Chef des Abends verrät, dass er mal gerne „ein bisschen Farbe ins Spiel“ bringen will. Findet er nun die Symphoniker ansonsten farblos? Oder ist der Serenadenhof gemeint? Oder vielleicht die klassische Musik im Allgemeinen? Oder nichts von alledem? Fest steht jedenfalls: Gut singen alleine reicht heutzutage offensichtlich nicht mehr aus. Jede Menge Schauspielerei und die üblichen Gesten aus dem volkstümlichen Schlager werden von David A. Tobin (USA) eingesetzt, der schon für ein einfaches „Hallo“ mehr Beifall erhält, als das Orchester beim Betreten der Bühne.

Im weiteren Verlauf folgen Songs, die nicht immer Liebeslieder sind, aber das macht fast gar nichts, denn was zählt ist ja die Stimmung im Publikum, und die ist von Anfang an sehr gut. Johanna Iser (bekannt aus „The Voice of Germany“) singt sich schnell in die Herzen, weil sie eine sehr ausdrucksstarke Stimme hat und damit ein wirklich großes Spektrum abdecken kann. Wolf bezeichnet sie als die momentan beste Sängerin Deutschlands. Als er zur Bekräftigung seines Lobes noch äußert: „Ich hab' schon viele Sängerinnen gehabt!“, gibt es gleich Kommentare aus dem Orchester. Hier ist die Stimmung jetzt besser. Natürlich, das war auf musikalischer Ebene gemeint!

Ausflüge in jazzige Gefilde

Die Freunde von Medleys (Billy Joel und West Side Story) kommen ebenso auf ihre Kosten wie die Fans von Special Guest Norbert Nagel, der wie gewohnt entweder einfühlsam mit seinem Tenorsaxophon die Gesangslinien umspielt oder höchst melodische Soli vom Stapel lässt. Die Band mit Béatrice Kahl (Piano & Hammond), Christian Diener (Bass) und Christoph Huber (Drums) ist ein eingespieltes Team und funktioniert bestens. Jeder darf auch mal ein Solo spielen, die kleinen Ausflüge in jazzige Gefilde werden sofort mit Applaus belohnt. Wirklich herausragend sind an diesem lauen Abend die Arrangements von Lutz Häfner, aber das ist natürlich auch wieder reine Geschmackssache.

Weitere Aufführungen: Freitag 15. Juli im Serenadenhof Nürnberg, Samstag 16. Juli Open-Air der Stadt Zirndorf im Zimmermannspark, Ausweichtermin bei Regen am 17. Juli.

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