Mehr Geld für die freie Szene

13.12.2018, 11:24 Uhr
Mehr Geld für die freie Szene

© Foto: Eduard Weigert

"Das gute Wahlergebnis hat mich besonders gefreut, weil ich immer noch die Einzige im Vorstand mit CSU-Parteibuch bin", sagte Julia Lehner. "Man nimmt mir ab, dass es mir vor allem um die Inhalte geht."

Die Kulturpolitische Gesellschaft wurde 1976 als außerparlamentarischer Interessenverband gegründet, nicht zuletzt auf Initiative der sozialdemokratischen Kulturreferenten Hilmar Hoffmann (Frankfurt) und Hermann Glaser (Nürnberg). Inzwischen hat die einflussreiche Vereinigung über 1400 Mitglieder, darunter Politiker, Vertreter von Verbänden und Kulturschaffende.

Der Blick über den Tellerrand, der Gedankenaustausch über die großen kulturpolitischen Themen der Zeit ist für Julia Lehner enorm wichtig. "Ich profitiere von dem Netzwerk, von den Kontakten, den Hintergrundgesprächen. Ich bekomme hier ein wichtiges Feedback: Ist das, was wir tun, relevant?" Lehner ist außerdem Vorsitzende des Kulturausschusses im Bayerischen Städtetag sowie Mitglied im überparteilichen "Netzwerk Kultur" und im Kulturausschuss des Deutschen Städtetags.

"Gerade im Austausch mit anderen zeigt sich, dass Nürnberg ein gutes Abbild einer Bundeskulturstadt ist, mit allen Sorgen und Nöten, aber auch mit allen Chancen", sagt Lehner. "Und man kann im Vergleich feststellen: Die Nürnberger Kulturlandschaft ist enorm breit aufgestellt."

Nürnberg als Schlusslicht

Nürnberg gibt dafür vergleichsweise wenig Geld aus. Das ergibt die Gegenüberstellung etwa gleich großer Städte: Gemessen an der Gewerbesteuer bildet Nürnberg bei den jährlichen Ausgaben für Kultur (117 Euro pro Einwohner) das Schlusslicht nach Frankfurt (250 Euro), Leipzig (242 Euro) und Düsseldorf (230 Euro).

Die erfolgreiche Suche nach Sponsoren und Zuschüssen könnte in diesem Zusammenhang eine Erklärung sein. "Wir haben ein Kulturprofil entwickelt und Interesse für Kultur in der breiten Bevölkerung geweckt", sagt die 64-Jährige. "Großveranstaltungen wie Bardentreffen und Klassik Open Air sind bis zu 80 Prozent mit Fremdmitteln finanziert."

Deshalb zweifelt die Referentin auch nicht am Sinn und Zweck solcher Events: "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass eine Großstadt wie Nürnberg solche Veranstaltungen braucht. Bestes Beispiel dafür ist die jüngste Erfahrung mit ,Boulevard Babel’ in der Südstadt. Das ist ein neues, inhaltlich stimmiges Format zum Thema Migration und kulturelle Spurensuche. Wir müssen das weiterpflegen und darüber nachdenken, wo wir solche Formate in den verschiedenen Stadtteilen brauchen. Denn kulturelle Entwicklung bedeutet Stadtentwicklung."

Das gilt nach Lehners Meinung unabhängig von der Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025. "Wir haben dieses Jahr eine Menge erreicht. Im Vergleich zu den Mitbewerbern sind wir die einzigen, die bereits über eine Kulturstrategie abgestimmt haben." Jetzt komme es darauf an, die Bürgerschaft mit ins Boot zu holen.

Bis zum 30. September 2019 muss jedenfalls das Bewerbungsbuch der Stadt fertig sein. "Ich habe ein gutes Gefühl, wir sind in der Zeitleiste genau an der richtigen Stelle und haben die richtigen Themen." Wie die kulturpolitische Diskussion zeige, sind darunter auch Themen, die viele Städte im 21. Jahrhundert beschäftigen. Nürnberg habe dabei durchaus Modellcharakter für andere Kommunen: Das Spektrum der Beispiele reicht von der Erinnerungskultur (Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände) über Immobiliensanierung (Theater, Opernhaus, Z-Bau) bis hin zum Bildungsangebot (Zusammenschluss von Stadtbibliothek und Bildungszentrum).

Also kein Grund zur Klage? "Ich beklage mich nicht. Ich bin auch nicht weltfremd und weiß, was auf die Stadt an Investitionen für Schulen, Krippen und so weiter zukommt", sagt Lehner. "Aber im Bereich der kulturellen Bildung müssen wir mehr Geld in die Hand nehmen, das ist gesellschaftlich ganz wichtig."

Die bewährten Stadtteilzentren und Kulturläden müssten zu zeitgemäßen Bildungseinrichtungen und Begegnungsstätten umgestaltet werden. Und Lehner fordert mehr Geld, um die freie Szene künftig stärker fördern zu können: "Man spürt, dass wir in der Stadt eine lebendige Szene haben. Das ist ein positives Signal, aber auch eine große Herausforderung."

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