Meisterwerke mit dem Buntstift

23.3.2011, 20:01 Uhr
Meisterwerke mit dem Buntstift

© Daut

So genau wie Birgit Bossert kennt sich wohl kaum jemand aus in der internationalen Produktpalette, die es an Buntstiften gibt. Denn die sind seit zehn Jahren ihr ausschließliches Arbeitsmaterial. Und die Ergebnisse, die sie damit erzielt, sind ebenso überzeugend wie erstaunlich. Das Besondere daran: Bossert wählt für jedes ihrer Blätter jeweils nur einen Stift, legt in stundenlangen Arbeitsprozessen Schicht auf Schicht bis am Ende der Stift gut vier Zentimeter kürzer ist und auf den (weißen oder schwarzen) Blättern eine satte Farbfläche entstanden ist. Die scheint bei Rottönen von innen zu leuchten, wirkt bei Blautönen fast samtig, und bei Grüntönen entsteht mitunter der Eindruck, es handele sich um eine metallische Oberfläche.

„Satt“ hat die Künstlerin folgerichtig die farbsatte Serie überschrieben, an der sie seit einem Jahrzehnt arbeitet. Exakt 746 Werke sind bislang entstanden. Birgit Bossert weiß das deswegen so genau, weil sie Buch führt. Zu jedem Blatt vermerkt sie die Herkunft, Farbbezeichnung und auch die Eigenschaften des Stiftes. Schließlich geht es ihr nicht um die persönliche Handschrfit in den Farbflächen, sondern um die Eigenart des Stiftes — Feldforschung mit Konzept und mit ausgeprägter Liebe zur Farbe.

Bossert arbeitet mit sündhaft teuren Exemplare aus der Schweiz („die haben mich nicht wirklich überzeugt“), testet aber auch Billig-Produkte aus China („Die sind gar nichts“), ist letzlich aber ein Fan guten heimischen Produkte von Faber-Castell und Schwan-Stabilo. „Jeder Stift hat seinen Charakter und reagiert anders. Das ist spannend“, sagt Bossert — manche kratzen unangenehm auf dem Papier, andere bilden Klümpchen oder wirken mehlig. Und dann kommt es auch schon mal vor, dass die Künstlerin eine ihrer im Entstehen begriffenen Arbeiten „satt“ hat — und der Titel ihrer Werkreihe damit eine ganz andere Bedeutung bekommt...

Zum Zeichnen kam die studierte Textilkünstlerin aus ziemlich pragmatischen Erwägungen. Sie hatte keine Lust mehr, mit voluminösen Stoffen für ihre großen Installationen zu arbeiten, wusste nicht mehr wohin mit den Stoffen ihrer raumgreifenden Arbeiten. Vor ihrem Studium bei Professor Stephan Eusemann an der Nürnberger Kunstakademie, das sie 1981 als Meisterschülerin abschloss, hatte sie eine Lehre als Musterzeichnerin in einer Stoffdruckerei absolviert. Die Zeichnung stand also ganz am Anfang ihres kreativen Schaffens.

Beim Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten vor zwei Jahren wurde Bossert für ihre 15-teilige Serie „satt-suma 15“ mit einer Anerkennung ausgezeichnet. Die Jury lobte die „harmonisch ausbalancierte Symphonie“ und befand: „Ein stilles Fest für das Auge“. Auch die jetzige Auszeichnung bestärkt und motiviert sie, weiterzumachen mit ihrer akribischen Pigment-Forschung. „Es ist immer noch spannend“, sagt sie.

Arbeiten von Birgit Bossert gibt es ab Mitte Mai in der Galerie Lutz mit der blauen Tür in Nürnberg zu sehen. Die Ausstellung ist Tiel des regionalen Ausstellungsprojekts „Soultrain“, an dem sich auch Häuser in Fürth, Erlangen und Schwabach beteiligen. Positionen der Zeichnung werden darin vorgestellt — Birgit Bossert vertritt eine ebenso zurückhaltende wie eigenständige.