Mit alttestamentarischer Expression

23.4.2013, 00:00 Uhr

Auch die Zusammenarbeit mit den Nürnberger Symphonikern und einem hervorragenden Solistenensemble kann die Massen nicht locken. Schade für den Hans Sachs-Chor und dessen Leiter Julian Christoph Tölle. Nur gut, dass die Sponsoren, die zweifellos für Veranstaltungen in dieser Größe benötigt werden, keine kommerziellen Interessen verfolgen.

Die konsequente Ablehnung von Krieg und Gewalt hat den englischen Komponisten Michael Tippett dazu motiviert, das dreiteilige Oratorium „A Child of Our Time“ zu verfassen und so auf das Attentat des Juden Herschel Grynszpan zu reagieren. Grynszpan erschoss 1938 einen deutschen Botschaftsbeamten in Paris und gab damit den Nationalsozialisten den willkommenen Anlass für die Novemberpogrome. Das Werk steht dabei ganz in der Tradition barocker Oratorienkunst mit Rezitativen, Arien, Solistenensembles und Orchesterzwischenspielen.

Lediglich die lutherischen Choräle sind durch amerikanische Spirituals ersetzt, die allerdings von einer geradezu alttestamentarischen Wucht gekennzeichnet sind. Tippett findet eine expressive Musiksprache, die gemeinsam mit dem von ihm verfassten Text einen unglaublichen Sog entwickelt und stellenweise fast schon lautmalerisch ist.

Erstklassiges Solistenquartett

Julian Christoph Tölle kommt ohne Dirigentenstab aus und dirigiert mehr für seinen Chor als für das Orchester, das sich jedoch in der musikalischen Fülle dieses vielschichtig kleinteiligen Werkes mit seinen 30 Nummern ganz gut zurechtfindet. Der Chor reagiert trotz der großen räumlichen Entfernung präzise und klingt stets ausgeglichen, beherrscht ein beeindruckendes Pianissimo, aber auch die erforderliche Klangfülle und Durchsetzungskraft, um einen wirkungsvollen Gegenpol zum vollen Orchestersatz bilden zu können. Das Solistenquartett ist erstklassig besetzt mit einer leidenschaftlichen Frances Pappas (Mezzosopran), einer ausdrucksstarken Susanne Schaeffer (Alt), einem beweglichen Bernhard Schneider (Tenor) und einem soliden Bernd Valentin (Bass).

Für die erneute Aufführung der „Misa Tango“ des Argentiniers Luis Bacalov konnte wieder Norbert Gabla als Bandoneonspieler verpflichtet werden. Einfühlsam und elegant weiß er das sensible Instrument zu bedienen und steckt mit seiner Spiellaune auch das Orchester an, das hier durch viele solistische Beiträge glänzt.

Eindrucksvoll interpretieren Frances Pappas und Bernhard Schneider den stark gekürzten, vom Lateinischen ins Spanische übertragenen Text, der jegliche eindeutigen Verweise auf Christus vermeidet und dadurch Christen und Juden wie auch Muslime gleichermaßen ansprechen soll. Wenn sich doch nur mehr Zuhörer hätten ansprechen lassen und gekommen wären.

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