"Mit Siebzehn": Wenn Gefühle Achterbahn fahren

16.3.2017, 20:00 Uhr

© F.: Wild Bunch

Tom und Damien sind 17, sie gehen in dieselbe Klasse, wo sie die Außenseiter sind, und können sich nicht leiden. Der kleinste Anlass reicht für eine Prügelei, doch in Wahrheit kaschieren sie mit ihren Feindseligkeiten nur die beunruhigende Anziehungskraft, die sie aufeinander ausüben.

Es ist eine so einfache wie universelle Geschichte über den Aufruhr der Gefühle im Moment der ersten Liebe, die André Téchiné in diesem Film erzählt. Und er braucht dafür keine sozialen Hintergrundkonflikte, keinen Zusammenprall der Milieus zu konstruieren, wie das so oft bei ähnlichen Kinogeschichten der Fall ist, um den Zuschauer in den Bann zu ziehen.

"Du stöhnst wie ein Mädchen"

Seine von Kacey Mottet Klein (Damien) und Corentin Fila (Tom) mit entwaffnender Präsenz und großer Glaubwürdigkeit verkörperten Protagonisten sind eifrige Schüler und leben in wohlbehüteten Verhältnissen. Zugleich könnten beide kaum unterschiedlicher sein. Damien, rotblond und zart, ist der Sohn der Ärztin Marianne (etwas zu fürsorglich: Sandrine Kiberlain) und eines Berufssoldaten, der sich per Skype aus dem Kriegseinsatz im Fernen Osten meldet. Damien trainiert seine Muskeln am Punchingball. "Du stöhnst wie ein Mädchen", lästert sein Coach.

Der dunkelhäutige Tom lebt bei seinen Adoptiveltern auf einem Bauernhof in den Bergen. Er liebt die Natur, läuft den langen Schulweg zu Fuß und will Tierarzt werden. Dass er die unerwartet späte Schwangerschaft seiner Mutter Christine, die die Hoffnung auf ein leibliches Kind schon aufgegeben hatte, als Bedrohung empfindet, wird nur leise angedeutet.

Als Christine ins Krankenhaus muss, lädt Marianne Tom ein, eine zeitlang bei ihr und Damien in der Stadt zu wohnen. Der hübsche, tatkräftige junge Mann gefällt ihr. Außerdem ist er wegen nachlassender Schulleistungen versetzungsgefährdet. Marianne will Tom helfen, ohne von den Kämpfen der zwei Jungs zu ahnen. Und nun, wo sie unter einem Dach leben, kommen beide nicht mehr umhin, sich ihren widerstreitenden Gefühlen zu stellen.

Ein Film mit kraftvollen Bildern

Téchiné, der das Drehbuch gemeinsam mit der Jugendfilm-erfahrenen Regisseurin Céline Sciamma ("Tomboy", "Girlhood") schrieb, beweist erneut sein großes Feingefühl, wenn es darum geht, von der Verwirrung der Gefühle zu erzählen. Die scheu taxierenden Blicke werden immer offener, kleine Gesten unerwarteter Zuwendung stoßen nicht mehr spontan auf Abwehr — solche Momente zeigen auch, wie schwer es Damien und Tom fällt, sich ihr Begehren, ihre Sehnsucht einzugestehen und die überwältigende Erfahrung der ersten Liebe zuzulassen.

Vieles in diesem Film wird durch die kraftvollen Bilder erzählt. Die erste Sequenz – eine lange Kamerafahrt entlang flirrend grüner Wiesen, die unvermittelt in den verschneiten Bergen endet – ist gleichsam Metapher dafür, wie es ist, wenn Wendepunkte im Leben plötzlich in eins fallen: Das Ende der Kindheit und der Beginn des Erwachsenseins – mit allen Zumutungen und allem Glück. (F/116 Min.)

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