Moderne Handels- und Liebesbeziehungen

17.11.2018, 08:31 Uhr
Moderne Handels- und Liebesbeziehungen

© Foto: Konrad Fersterer

Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen? Die berühmte Frage münzte Philipp Löhle, Hausautor am Nürnberger Schauspielhaus, um: Kann das Abzupfen einer Baumwollflocke in Afrika zu einem Mordanschlag in Deutschland führen? Es kann, wenn man seinem Stück "Das Ding" glauben mag. In der globalisierten Welt hängt eben alles irgendwie mit allem zusammen.

Schauspielchef Jan Philipp Gloger, der schon die Uraufführung der zeitkritischen Komödie bei den Ruhrfestspielen 2011 inszeniert hat, entwickelt aus dem abstrakten Thema einen kurzweiligen Theaterabend, der aber letztlich an der Oberfläche hängen bleibt. Wäre ja auch zu schön, wenn man die Folgen der Globalisierung einfach so weglachen könnte!

"Das Ding", um das sich alles dreht, ist eine omnipräsente Baumwollflocke, die ihr Leben einer höheren Aufgabe widmet – als Faser in einem Fußballtrikot. Auf ihrer Weltreise macht sie Kinder glücklich, sie zerstört Liebesbeziehungen, stiftet Unfrieden und sichert Einkommen.

"Das Ding" thematisiert eine fatale Dreiecksbeziehung, die ihre Anfänge im Zeitalter der Entdeckungen hat: Rohstoffe werden in Afrika produziert, in Billiglohnländern wie China verarbeitet und in Europa konsumiert. Am Ende werden die Dinge entsorgt und recyclet – und in Afrika beginnt der Kreislauf von vorn. Doch damit begnügt sich Löhle nicht: Er packt noch ein Beziehungsdrama, eine Fußball-Story, Waffenhandel, Fernseh-Satire und Internet-Porno in die Baumwoll-Tasche. Die theatralische Reststoffverwertung sorgt für Heiterkeit, aber nicht unbedingt für Klarheit.

Wieder mal sind es die Schauspieler, die das Beste aus der Vorlage machen: Maximilian Pulst, Anna Klimovtskaya, Tjark Bernau, Janning Kahnert und Nicolas Frederick Djuren sind ständig auf der leeren Bühne und jagen in 100 Minuten von Kontinent zu Kontinent, von Pointe zu Pointe. Es gibt Slapstick-Einlagen, Parodien und Dialoge mit dem Publikum. Zu all dem bilden Pop-Songs von Michael Jackson bis Neil Young den ironischen Soundtrack.

Anna Klimovitskaya und Tjark Bernau führen als Katrin und Thomas eindrucksvoll die Problemzonen moderner Paarbeziehungen vor. Wie sie ins Visier eines chinesischen Geschäftsmannes kommen, der mit Baumwolle, Soja und Hausmeistern handelt, soll hier nicht verraten werden. Die Flocke wirbelt mit ihren Schicksalsgenossen im turbulenten Geschehen herum und denkt sich ihren Teil.

Es bleibt dem sichtlich amüsierten Publikum überlassen, aus dieser überdrehten Groteske die richtigen Schlüsse für das eigene (Konsum-)Verhalten zu ziehen. Eine Antwort auf die europäische Sicht der Dinge gibt die afrikanische Produktion "Das Dong".

Weitere Aufführungen: 23. No-
vember; 7., 12., 16. und 26. De-
zember. Am heutigen Samstag, 17 / 19.30 Uhr, gibt es ein Doppelfeature mit "Das Ding"/"Das Dong" im Rahmen des Festivals "Import/Export".

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