Mozarts Blick auf Händels „Messias“

30.11.2015, 19:12 Uhr

Das wahrscheinlich bekannteste Oratorium aller Zeiten hat bis heute viele Bearbeitungen über sich ergehen lassen (müssen): als Ballett durch John Neumeier, als Oper schon vor dreißig Jahren durch Achim Freyer und ganz aktuell in Wien durch Claus Guth. Jetzt gab es in Nürnberg das „Halleluja“-Stück old fashioned auf dem Konzertpodium – aber in der etwa 50 Jahre nach der Uraufführung in Dublin erfolgten Angleichung an den Wiener Vor-Klassik-Zeitgeist.

Viermal hat sich Mozart zwischen 1788 und 1791 an Händel versucht: Bestellt hatte die „Gesellschaft der Associierten Cavaliere“, sein Freund van Swieten hatte den lukrativen Auftrag verschafft, und Mozart hatte den „Messias“ am Tag vor seiner Abreise zum König nach Berlin auch selbst dirigiert. Was sich die vornehmen und vermögenden „Cavaliere“ von ihm gewünscht hatten: zwar eine Wiederbelebung des Händel’schen Erfolgs von 1742, aber auch eine Glättung, Modernisierung der alttestamentarisch rauen Oberfläche. Mozart instrumentierte neu, man besorgte eine deutsche Übersetzung.

Der Dirigent der Nürnberger Aufführung, Guido Johannes Rumstadt, schien damit aller Überlegungen in Sachen historischer Aufführungspraxis enthoben: Er ziselierte mit den Nürnberger Symphonikern Händel aus Mozarts Händen mit Bedacht und sachdienlicher Gestik und legte sich über weite Strecken hin ein molto moderato zurecht – keine Angst um den Blutdruck der adligen Herren von damals und des Publikums von heute!

Für den Hans-Sachs-Chor bedeutete diese historische Variante ein differenziertes Legato, feine Artikulation, präzise formulierte Nettigkeiten, die den schicklichen Rahmen nicht sprengten. Besonders positiv dabei: kein lauthals dröhnendes, sondern ein schön dynamisch differenziertes „Halleluja“ am Ende des 2. Teils. Das hatte damit einen beachtlichen Anteil an der Innigkeit, die die Aufführung entfaltete.

Ein Plus an der Harmonie

Spuren von Gleichmaß in diesem Kompendium aus Altem und Neuem Testament nahm man hin, auch weil immerhin zwei der Vokalsolisten dramatische Glanzlichter setzten: Thomas Faulkner vermittelte in seinen Bass-Arien viel von dem biblischen Ingrimm der Händel’schen Vorlage, war beweglich und stimmgewaltig für den Furor der düsteren Koloraturen.

Idunnu Münch steigerte sich in der Gestaltung der großen Altpartie über den sanften Grundton der Aufführung hinaus bis zu ergreifender, sonorer Dramatik. Zusammen mit Uwe Stickert, sonst am Staatstheater der Tenorspezialist für die Oper des 19. Jahrhunderts, und mit dem etwas spitz zulaufenden Sopran von Katharina Warken ergab das in den Solistenquartetten ein Plus an der Harmonie, die den ganzen Abend bestimmte. Merke: Eher selten wird Bearbeitetes besser und Übermaltes wirklich farbiger. Selbst wenn Mozart am Werke war.

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