Müder Falke-"Tatort": Wenn aus Wut Mord wird

18.11.2018, 21:45 Uhr
Falke (rechts) ist mehr so der Typ Terrier. Und liebt Milch.

© NDR/Christine Schroeder Falke (rechts) ist mehr so der Typ Terrier. Und liebt Milch.

Die Fälle mit Thorsten Falke, dem "Jungen aus dem Beton", weisen fast immer einen hohen Bezug zur Realität auf. So kam beispielsweise in "Dunkler Boden", den Das Erste vor einem Jahr sendete, ein Populist bei einem Attentat ums Leben. Außerdem bevölkerten in Niki Steins komplexem Krimi eine "Weidel-Doublette" und ihr "Westentaschen-Goebbels" die Szenerie.

Die im April ausgestrahlte Episode "Alles was sie sagen" erzählte dagegen die Geschichte eines vermeintlichen Kriegsverbrechers, der als Flüchtling getarnt in Deutschland lebte. Falkes und Groszs (Franziska Weisz) Auftrag bestand darin, den Mann dingfest zu machen. Doch leider ging der Zugriff in die Hose. Deshalb rückte den Kommissaren auch ein interner Ermittler auf den Leib.

Mord oder Notwehr?

In "Treibjagd" geht es nun um besorgte und zugleich sehr wütende Bürger, die in kleinen Häuschen am Rande Hamburgs leben. Ihr ruhiger Vorort wird seit einer Weile von einer nächtlichen Einbruchsserie heimgesucht. Da die Bewohner der Polizei aber nicht mehr vertrauen und sich vom Staatsapparat im Stich gelassen fühlen, haben sie sich aus Angst um ihr Hab und Gut zu einer Nachbarschaftshilfe zusammengerottet.

Das geschieht sehr zum Missfallen der Behörden. Die Situation eskaliert, als ein Dieb auf frischer Tat getötet wird. Die Nachbarn feiern den Schützen wie einen Helden. Fotos werden geknipst, Videos aufgenommen, auf das Nachbarschaftsportal geladen und darüber im Netz verbreitet. Die Polizei erntet dagegen nur höhnische Kommentare nach ihrer Ankunft am Tatort.

Zeugin auf der Flucht

Dieser Spott schlägt allerdings rasch in Wut um, als Falke und Grosz Zweifel an der ihnen aufgetischten Notwehr-Variante laut aussprechen. Die Ermittler vermuten, dass der Hausbewohner dem Einbrecher aufgelauert und ihn vorsätzlich getötet hat. Außerdem kommt heraus, dass der Dieb eine Komplizin hatte, die nach dem gescheiterten Überfall in die nahegelegenen Wälder floh.

Was nun folgt, ist nicht nur die Suche nach der wohl einzigen Zeugin, sondern eine Hetze über die sozialen Medien. Von Halbwahrheiten und wilden Behauptungen aufgestachelte Familienväter wettern gegen den Staatsapparat im Allgemeinen und die zwei Ermittler im Besonderen. Es hagelt einen Shitstorm nach dem anderen. Die Wut auf die Polizei ist sogar so groß, dass sie vom Netz in die Realität überschwappt. Jetzt wird es auch für die Kommissare gefährlich.

Zugegeben, das alles hört sich verdächtig nach einem Problem-"Tatort" an. Und ja, Samira Radsis Film ist es auch. Aber glücklicherweise spielt ihr Krimi nicht in Köln. Demzufolge bleiben erhobene Zeigefinger ebenso aus, wie die gefürchteten Betroffenheitsblicke von Freddy und Max, den zwei ergrauten Eminenzen vom Rhein. Rund um Hamburg ermittelt schließlich ein Terrier. Einer, der keinen Zeigefinger erhebt, sondern mit der Faust auf den Tisch haut und Milch liebt.

Gut, dass ihm mit Grosz eine mittlerweile ebenbürtige Kollegin zur Seite steht, die sich vor allem durch ihre innere Ruhe und Besonnenheit auszeichnet. Daher stellt sie ein interessantes aber wohl auch dringend notwendiges Gegengewicht zum impulsiven und dünnhäutigen Straßen-Cop dar. Denn der hat mit seiner ständig zu platzen drohenden Halsschlagader schon genug zu tun.

Kater Elliot mit Gastauftritt

Doch trotz des wie immer sehr leidenschaftlichen Auftritts des Kommissars kommt einem der gesamte Film nie sonderlich nahe. Stattdessen lässt er einen eher kalt. Da nützt auch der kleine herzerwärmende Gastauftritt von Kater Elliot nichts, der nach sechs Episoden wieder mal mit von der Partie ist. Weder das Schicksal der Nachbarn, noch das des Diebespärchen berührt und bewirkt so etwas wie Empathie.

Samira Radsi gelingt es in ihrem handwerklich einwandfrei inszenierten und logisch ablaufenden Thriller leider nicht, den Episodenfiguren richtiges Leben einzuhauchen, so dass man für sie Feuer und Flamme wird und sich für sie begeistern mag. Da gab es schon packendere Falke-Folgen. Man rufe sich nur die zwei direkten Vorläufer zurück ins Gedächtnis.

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