Münchner Wiesn-"Tatort": Todesschreie aus dem Bierzelt

20.9.2015, 21:45 Uhr
Es wird sogar romantisch: Wachtveitl und Nemec starten mit diesem "Tatort" eine Charmeoffensive.

© BR/Bernd Schuller Es wird sogar romantisch: Wachtveitl und Nemec starten mit diesem "Tatort" eine Charmeoffensive.

Die Münchner "Tatort"-Folgen umweht stets so ein sympathisches Lüftchen der Vertrautheit. Das liegt zum einen daran, dass Wachtveitl und Nemec seit nun fast einem viertel Jahrhundert keinen Verbrecher mehr ungeschoren davon kommen lassen und wir die beiden Kollegen somit ganz tief in unser Herz geschlossen haben. Zum anderen basiert diese Vertrautheit womöglich darauf, dass den Franken München unterschwellig näher liegt, als zum Beispiel der Kiez auf St. Pauli. Auch wenn man mit solchen Aussagen gerade hier im Pegnitzland vorsichtig sein muss, so verbindet München mit Nürnberg doch eine ganze Menge. Eben auch die Tatsache, dass weder die einen, noch die anderen des Hochdeutschen mächtig sind. Dialekt macht sympathisch. Und davon gibt's im Münchner "Tatort" jede Menge. Die Beamten, keine studierten Klugscheisser, zwei von unserer Sorte. Ja, da menschelt's. Die mögen wir.

Frappierende Ähnlichkeit zu Serdar Somuncu

Große Nettigkeit strahlen Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) auch im neuen Krimi aus. Und das obwohl Franz seinen geliebten Urlaub abbrechen muss. Vor dem Hintergrund des Oktoberfests bekommen es die zwei in Würde ergrauten, kriminalen Silberrücken nämlich mit einem Toten zu tun, der nur auf den ersten Blick Opfer eines "Zechanschlussdelikts" geworden ist. Leitmayr wird also zurück ins Präsidium beordert. Weil er seine Bleibe dummerweise an zwei feierwillige Schwedinnen untervermietet hat, gewährt Buddy Ivo ihm bereitwillig Asyl.

Dank der klugen Worte des Gerichtsmediziners Steinbrecher (Robert Josef Bartl) - die Ähnlichkeit mit Kabarettist Serdar Somuncu ist frappierend - findet der Ermittlertrupp heraus, dass der italienische Wiesn-Besucher an den Folgeerscheinungen einer GHB-Vergiftung verschieden ist. Liquid Ecstasy kann gerne mal tödlich ausgehen. Eben dann, wenn man es in Kombination mit Alkohol zu sich nimmt. Abgesehen davon ist es streng verboten.

Die erste Hälfte zieht sich in die Länge

Nach weiteren Recherchen, die dank des tollen Schauspiels von Assistent Kalli (Ferdinand Hofer) gut voran kommen, stellt sich heraus, dass die GHB-Vorfälle nur in einem Festzelt, dem der Amper Bräu, vorkommen. Das Entsetzen bei der strengen, undurchsichtigen Chefin Moosrieder (Gisela Schneeberger) ist dementsprechend groß, als Leitmayer und Nemec mit einer Hundertschaft anmarschieren und drohen, die Bude erst mal dicht zu machen.

Obwohl das alles wirklich gut dargestellt ist und auch die Wiesn-Bilder realitätsnah rüberkommen - die Szenen im Bierhaus sind nur mit wenigen Hundert Komparsen gedreht worden - zieht sich die erste Hälfte des Krimis dann doch etwas in die Länge. Der Fall nimmt ausgesprochen langsam Fahrt auf. Erst gegen Ende, nach ein paar unterschwellig humorvollen Passagen, wird's wieder spannend, wenn eine verborgene Liebschaft des Restaurantleiters mit dem verblichenen Gatten der Zeltdiktatorin herauskommt und der Zuschauer mehr über die verdächtige alleinerziehende Kellnerin Ina (Mavie Hörbiger) erfährt, auf die Franz ein Auge geworfen hat. Offen bleibt jedoch das Motiv des Gift-Mörders. Der bringt sich nämlich am Ende selbst um die Ecke und steht daher für ein Verhör nicht mehr zur Verfügung.

Das ist durchaus tragisch - nicht nur weil der Knabe über den Jordan jumpt - sondern eben weil der ordinäre Krimigucker gern sämtliche Fakten auf den Tisch gelegt bekommt. Was treibt einen jungen Burschen dazu, wildfremden Leuten K.O-Tropfen ins Glas zu schütten? Nur das Gefühl von Macht, Entscheider über Leben und Tod zu sein? Wieso erfährt man nicht mehr über diese pikante Liebschaft zwischen dem verschiedenen Promiwirt und dessen Restaurantleiter, der zu allem Überfluss auch noch kräftige Prügel seiner eigenen Sicherheitsleute einstecken muss?

Doch trotz alledem ist auch "Die letzte Wiesn" ein gelungenes Stück Unterhaltung, das nicht nur bierfesten Kirchweihgängern Kurzweil beschert. Auch ausgewiesene Wiesn-Hasser finden ihren Gefallen am vom "Tatort" erfahrenen Regisseur Marvin Kren inszenierten Krimiwerk. Was freilich zum großen Teil am hervorragend eingestellten Schauspielerensemble liegt. Irgendwelche Schwachpunkte? Nein, keine auszumachen. Vom Komparsen bis zu den beiden Kripolieblingen alles richtig gemacht. Das Duo Wachtveitl/Nemec hat am Ende sogar noch einen großen romantischen Auftritt, als Franz vor der Wiesn-Kulisse zugibt, dass er das Oktoberfest als kleiner Bub doch ganz gern gehabt hat. Da ist sie wieder, die Sympathie!

10,6 Millionen Zuschauer

Der jüngte Fall von Batic und Leitmayr zählt zu den fünf erfolgreichsten "Tatorten" der letzten 25 Jahre. "Die letzte Wiesn" verfolgten 10,6 Mio. Zuschauer in Deutschland bei 30,9 Prozent Marktanteil. In Bayern versammelte sich sogar jeder dritte Zuschauer vor dem Bildschirm (33,2 Marktanteil), um die Ermittlungen von Ivo Batic und Franz Leitmayr zu verfolgen. In der Rangliste aller Münchner Tatorte ist "Die letzte Wiesn" die erfolgreichste Ausstrahlung seit 1992. Besonders gut kam der 70. Fall des dienstältesten Ermittlerpaares bei den jüngeren Zuschauern an: Mit 27,8 Prozent Marktanteil war der gestrige "Tatort" die marktbeherrschende Sendung bei den 14- bis 49-Jährigen und eine der erfolgreichsten Ausgaben aus der "Tatort"-Reihe der letzten Jahre.

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