Myanmars große Hoffnung

15.7.2015, 13:27 Uhr
Myanmars große Hoffnung

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Sie hat den Adel einer Prinzessin und die Härte einer Kämpferin. Aung San Suu Kyi wuchs in begüterten Verhältnissen auf, sie hätte sich ein gemütliches Leben machen können. Aber die gläubige Buddhistin hat nie über das Elend der Menschen im einstigen, von Briten besetzten Birma hinweggeschaut. Dass sie als Tochter eines Kriegshelden privilegiert war, Privatschulen besuchte, in Oxford und New York lebte, hat sie nicht davon abgehalten, 1988 ihren Wohlstand und eine sorgenfreie Zukunft aufzugeben und in das Birma eines grausamen Militärregimes zurückzukehren. Das wissen die Menschen im Land – und das rechnen sie ihr hoch an. Obwohl sie ihnen viel abverlangt hat.

Die Buddhistin ist dem Grundsatz der Gewaltlosigkeit verpflichtet, das ist ihre Stärke, die auch ihre Schwäche war, die sie zu ertragen hatte. Aung San Suu Kyi wurde als streitbare Oppositionspolitikerin von den Militärs 15 Jahre lang unter Hausarrest gestellt. Sie wurde bedroht und tyrannisiert, gab aber ihren Kampf um die Freiheit nicht auf. Auch dann nicht, als mehrere Terrorwellen Myanmar überzogen und das Militär gnadenlos sein Machtsystem festigte.

Moralische Gigantin

Mitten in der schlimmen Zeit, als viele Andersdenkende gefangen, gefoltert und ermordet wurden, erhielt die zierliche Frau 1991 den Friedensnobelpreis. Ein anderer Träger dieses Preises, der südafrikanische Bischof Desmond Tutu, sagte über Aung San Suu Kyi: „Äußerlich ist sie zart und elegant, aber ihre moralische Statur ist gigantisch.“

Andreas Lorenz, langjähriger Asienkorrespondent vor allem für den Spiegel, hat der Menschenrechtskämpferin eine Biografie gewidmet. Er hat mit ihr gesprochen, schreibt aber aus sachlicher Distanz und bedient keinen Heldinnenkult. Seine Analyse des Einflusses, der von ihr ausging, ist klar. „Seit ihrer Rückkehr nach Rangun 1988 hatte Aung San Suu Kyi die Militärs vor sich hergetrieben und den Bürgern in dunklen Zeiten Hoffnung gegeben.“

Ihre Zivilcourage ist unvergleichlich, auch als sie in ihrer Villa eingesperrt war, hätten die uniformierten Tyrannen sie einem Schauprozess ausliefern können. Dass das nicht geschah, ist der weltweiten Verehrung ihres Widerstands zu verdanken. Die Machthaber konnten sich eine Märtyrerin nicht leisten.

Aung San Suu Kyi verfügt offenkundig über eine starke Persönlichkeit, die tief in der buddhistischen Religion verwurzelt ist, die Leiden als Teil des Lebens interpretiert. Sie wartete, bis die Tauwetterperiode sie aus der Gefangenschaft im eigenen Haus befreite. Nicht mal, als ihr Mann, der Tibetologe Michael Aris, 1999 starb, durfte sie ausreisen.

Mögliche Präsidentin

Heute ist Aung San Suu Kyi die Führerin der Oppositionsbewegung, sie steht an der Spitze der Nationalen Liga für Demokratie. 2015 wird in Myanmar gewählt, viele Experten halten es für möglich, dass die 70-Jährige Präsidentin werden könnte. Doch die konservativen Politiker versuchen, sie von der Wahl auszuschließen.

Das aus hundert Völkern bestehende Myanmar ist gesellschaftlich zerrissen – jüngst landeten Schiffsflüchtlinge in Malaysia – und liegt wirtschaftlich am Boden. „Die meisten Burmesen sind bitterarm“, schreibt Lorenz. Milliarden Euro wären nötig, eine Infrastruktur aufzubauen. Das größte Problem aber seien die lokalen Regenten – „sie herrschen autoritär wie eh und je“. Darum hat Aung San Suu Kyi gesagt: „Wir müssen noch mal ganz von vorn anfangen.“ Wer wäre für den Neuanfang besser geeignet als diese charismatische und durchsetzungsstarke Buddhistin?

Andreas Lorenz: Aung San Suu Kyi. Ein Leben für die Freiheit. C.H. Beck, München. 336 Seiten, 19,95 Euro.

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