Mystery-"Tatort" aus Kiel: Borowski im "Haus der Geister"

2.9.2018, 21:45 Uhr
Mystery-

© NDR/Christine Schroeder

Wie schon in "Borowski und das Land zwischen den Meeren" muss der Kommissar (Axel Milberg) für diesen Fall gewohnte Kieler Pfade verlassen. Nachdem es ihn in der vorherigen Episode auf eine unwirtliche Nordseeinsel verschlug, die von rauer See umgeben war, erscheint die Destination seiner aktuellen Dienstreise im Gegensatz dazu wie ein paradiesischer Ort.

Doch trotz derartiger Unterschiede in ihrem Aussehen verbindet die zwei Lokalitäten etwas: Sowohl auf dem Eiland als auch auf dem pittoresken Landsitz steht eine Frau im Zentrum der Handlung. Hier die Inselschönheit, deren Erscheinung Männer um den Verstand bringt. Dort die von Alpträumen geplagte Gutsherrin, die die Meinung vertritt, ein Geist gehe nachts im Anwesen um.

Brief lotst Borowski aufs Land

Auslöser für Borowskis Landpartie ist aber nicht etwa der schlechte Schlaf von Anna Voigt, sondern Patenkind Grete, die ihm einen Brief schickt. Darin bittet Annas Stieftochter ihren Onkel um Hilfe und setzt damit beim Ermittler einen Ausflug in die eigene Vergangenheit in Gang. Schließlich verband Gretes Vater Frank (Thomas Loibl) und Borowski einst eine Freundschaft. Als jedoch Franks Frau, für die der Polizist mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegte, vor Jahren spurlos verschwand und der Kommissar versuchte, dem damaligen Richter einen Mord nachzuweisen, was allerdings mangels Beweise misslang, riss die Bande. Gemeinsam mit den Töchtern und der Neuen bewohnt Voigt nun den Landsitz, den er von seiner Ex geerbt hat.

Borowskis Fahrt ins Blaue begleitet die Kamera in wundervollen Einstellungen, die den Eindruck vermitteln, als durchquere er gerade die Provence. Als der Kommissar vor dem Anwesen steht, löst das gemischte Reaktionen aus. Während sich Franks Tochter Sinja freut und Anna dem Besucher ebenso offenherzig gegenübertritt, ist die angespannte Gefühlslage zwischen den Männern sofort zu spüren. Es dauert nicht lange, bis alte Gräben wieder aufreißen. Sie werden eindrucksvoll visualisiert, indem der kleine Esstisch im Garten, an dessen Ende die ehemaligen Freunde sitzen, mit jedem gesprochenen Wort länger erscheint.

Grete, die eigentliche Initiatorin des Treffens, versucht dem Wiedersehen seltsamerweise aus dem Weg zu gehen. Doch warum? Es stellt sich heraus, dass ihr Schreiben vier Jahre alt ist. Außerdem beteuert sie jähzornig, den Brief niemals versendet zu haben. Aber wer hat ihn dann abgeschickt? Borowskis Reise mutiert ab jetzt zu einer äußerst mysteriösen Landpartie. Es geschehen Dinge, die rational kaum zu erklären sind, und dazu führen, dass der Beamte den zu den Akten gelegten Fall neu aufrollt.

Neue Kollegin leistet Hilfe

Im Kampf gegen den alten Freund und drei starke, interessante Frauen, die alle versuchen, den Ermittler zu manipulieren, erhält der Fahnder Unterstützung. Die Hilfe von Mila Sahin (Almila Bagriacik), einer neuen Kollegin, die mit Boxsack Walter ins Präsidium einzieht, kommt Borowski gelegen. Denn die Geister beginnen bereits, sein Hirn zu vernebeln, so dass es ihm schwerfällt, kühlen Kopf zu bewahren und zu unterscheiden, ob Franks Frau tatsächlich von einem Dämon gequält wird oder lediglich Opfer ihrer Fantasie ist.

Sahin leistet bei der Beantwortung dieser und anderer Fragen einen entscheidenden Beitrag und erarbeitet sich so direkt Sympathiepunkte. Auch auf der zwischenmenschlichen Ebene scheinen der Alte und die Neue sofort auf einer Wellenlänge zu liegen. Die Wärme, die von beiden in Richtung des Gegenübers ausgeht, ist nicht nur zu erahnen. Sie ist in einigen Szenen auch zu sehen. Die von Borowski-Headautor Sascha Arango erdachte Figur tut dem Kommissar spürbar gut und dürfte in den kommenden Episoden weiter an Profil gewinnen.

Bruch mit gängigen Krimi-Klischees

"Borowski und das Haus der Geister" ist eigentlich ein wilder Genre-Mix mit Anteilen aus Mystery, klassischem Krimi und Psychothriller, der in seiner Thematik hin und wieder an Hitchcocks Klassiker "Rebecca" erinnert. Doch die für derartige Filme typischen Knalleffekte bleiben weitestgehend aus. Borowskis Landpartie verläuft ohne übermäßige Schockmomente. Sieht man von wenigen Szenen ab, in denen Anna Voigts Alpträume lebendig und von lauten schreienden Geigen musikalisch untermalt werden.

Regisseur Fischer und Kameramann Philipp Sichler begegnen der üblichen Erwartungshaltung des Zuschauers, es bei einer derartigen inhaltlichen Gemengelage mit düsteren und dunklen Bildern zu tun zu bekommen, vorwiegend mit sommerlichen Einstellungen, die in ihrer Farbintensität kaum zu überbieten sind. Damit brechen sie mit gängigen Krimi-Klischees. Sie implantieren Bedrohung und Gefahr nicht in einen vernebelten Wald oder dunklen Keller. In ihrem Film steckt der Grusel woanders: In einer blühenden Wiese, in einer einzelnen Blüte. Eben in alledem, womit der geübte "Tatort"-Zuschauer nicht zwingend rechnet. Das ist zweifelsfrei ein sehr interessanter Ansatz, der diesen Krimi dank der klugen Umsetzung äußerst sehenswert macht.

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