Neue Boris-Lurie-Ausstellung: Die Toten und die Pin-up-Girls

16.3.2017, 14:06 Uhr
Neue Boris-Lurie-Ausstellung: Die Toten und die Pin-up-Girls

© Roland Fengler

Leichenberge aus Konzentrationslagern kombiniert mit Bildern von Pin-Ups: Der US-amerikanische Künstler Boris Lurie (1924–2008) wollte mit seinen Werken provozieren und aufrütteln. Mit einem deutlichen "No" wehrte er sich auch auf vielen seiner Bilder gegen Imperialismus, Heuchelei und Kommerz. Das Neue Museum in Nürnberg zeigt nun das Werk des Künstlers, das bislang vor allem in Dokumentations- und Gedenkstätten oder jüdischen Museen zu sehen war.

Boris Lurie und seine Gefährten hätten sich als Gegenpol zur Popkunst und zum abstrakten Expressionismus gesehen, sagte Museums-Chefin Eva Kraus. "Wenn Kunst, dann politisch relevant", habe Lurie stets betont, ergänzte Kurator Thomas Heyden.

Der Künstler jüdischer Abstammung, der im russischen Leningrad geboren wurde und in Riga in Lettland aufwuchs, überlebte von 1941 bis 1945 verschiedene Konzentrationslager. Luries Mutter, Großmutter, Schwester und seine Jugendliebe wurden Opfer des Holocausts. 1946 wanderte er mit seinem Vater in die USA aus.

Neue Boris-Lurie-Ausstellung: Die Toten und die Pin-up-Girls

© Roland Fengler

Ende der 1950er Jahre wandte er sich dort den Collagen zu - viele davon sind in der Ausstellung zu sehen. Zu seinen liebsten Materialen gehörten pornografische Fotos von Frauen. "Damit arbeitete Boris Lurie wie andere Künstler mit Farbe", sagte Heyden. Er habe zeigen wollen, wie auch der weibliche Körper in der amerikanischen Gesellschaft zur Ware wurde. Gleichzeitig habe er den Begriff des Obszönen infrage gestellt. Für Lurie sei nicht die Frau mit den gespreizten Beinen obszön gewesen, sondern Gaskammern und Atombomben.

"Railroad to America"

Zu den schockierendsten Arbeiten zählen Collagen, in denen pornografische Fotos neben Aufnahmen aus NS-Vernichtungslagern stehen - etwa das Werk "Railroad to America" von 1963, das einen offenen Lastwagen mit gestapelten Leichen aus dem KZ Buchenwald zeigt - und in der Mitte eine Frau, die ihr Hinterteil entblößt. "Es ist ein Tabubruch, um diese grauenhaften Bilder wieder zu aktivieren", sagt Heyden - damit die Betrachter angesichts der Fülle dieser Fotos nicht irgendwann abstumpfen. Zugleich entlarve es den Blick auf das Grauen als ebensolchen Voyeurismus wie den Blick auf Pornografie. Der Lastwagen ist übrigens auf zwei weiteren Bildern der Schau zu sehen.

In anderen Werken kritisiert Lurie die amerikanische Gesellschaft und wie sie ihre Augen vor allem Ordinären verschließt. Ein "wahrer Schock" seien für den Künstler, der den Hunger in den Lagern erlebt habe, die übergewichtigen Frauen gewesen, sagte Heyden. Daraus entstanden seine "dismembered women" (zerstückelte Frauen).

Werke anderer Künstler ergänzen die Ausstellung - etwa von Gerhard Richter, Gustav Metzger, Wolf Vostell oder Sam Goodman. Die Schau "Boris Lurie. Anti-Pop" ist bis zum 18. Juni zu sehen.

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