Neuer München-"Tatort": Cop-Buddys am Scheideweg

30.4.2017, 21:42 Uhr
Neuer München-

© BR/X Filme/Hagen Keller

Als vergangenes Jahr "Die Wahrheit" ausgestrahlt wurde, brach Regisseur Sebastian Marka mit einem ungeschriebenen Gesetz. Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) konnten am Ende einer zermürbenden Tätersuche nicht wie sonst üblich einen Schuldigen dingfest machen. Eine Erfahrung, auf die die zwei Kommissare nach über 25 Jahren Diensttätigkeit gerne verzichtet hätten.

In der Geschichte, die so eng an der tatsächlichen Polizeiarbeit dranblieb, dass man spüren konnte, wie intensiv, spannend, aber auch frustrierend dieser Job sein kann, bekamen es Leitmayr und Batic mit dem offensichtlich sinnlosen Mord an Ben Schröder zu tun, den ein Unbekannter niederstach.

Am helllichten Tag, vor den Augen seiner Frau, seines Sohnes Taro und etlicher Zeugen. Deren Aussagen förderten jedoch eine verwirrende Vielzahl von Wahrheiten zutage, denn ihre Beobachtungen widersprachen sich. So zogen sich die Ermittlungen ergebnislos über mehrere Monate hin. Schließlich wurden sie ganz eingestellt. Der unaufgeklärte Mord und die infolgedessen ebenfalls nicht beantwortbare Frage nach dem Warum, die sich nicht nur Ben Schröders Frau immerzu stellte, brachte die Fahnder an ihre emotionalen Grenzen und belastete darüber hinaus auch deren Freundschaft. Die Cops gerieten in eine tiefe Sinnkrise.

Auf der Suche nach der Wahrheit

"Der Tod ist unser ganzes Leben" knüpft genau da an, ist aber streng genommen keine Fortsetzung. Der Film von Philip Koch erzählt einen in sich geschlossenen Fall, der die Ereignisse des Vorgängers zwar aufnimmt, sie jedoch gleichzeitig eigenständig in einer neuen Geschichte weiterspinnt.

Gleich zu Beginn geht der bislang vergebens gesuchte Mörder ins Netz. Weil Thomas Barthold (Gerhard Liebmann) ein zweites Mal zur Tat schreitet und eine Überwachungskamera ihn dabei filmt. Der Mann wirkt unscheinbar, geradezu unauffällig und erinnert nicht nur wegen seines Geredes und Gehabes an Kevin Spacey in "Sieben". Als Barthold der Prozess gemacht werden soll, bestehen Leitmayr und Batic darauf, beim Gefangenentransport dabei zu sein. Der endet jedoch in einem Schreckensszenario, in dem es für die Fahnder um nicht weniger geht, als um ihre berufliche Existenz, ihre Freundschaft und letztendlich ihr Leben.

Wie schon der Vorläufer befasst sich "Der Tod ist unser ganzes Leben" mit unterschiedlichen Wahrheiten. Ging es davor um die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Augenzeugen, die die Polizeiarbeit massiv erschwert haben, sind es diesmal widersprüchliche Annahmen über den Verlauf eines blutigen Geschehens, das sich aus der Festnahme eines Verdächtigen heraus entwickelt.

Die immer noch schwer mit sich hadernden Kommissare sind die einzigen Überlebenden einer dramatisch eskalierten Situation, bei der zwei Justizbeamte und Thomas Barthold ums Leben kamen. Unklar ist vieles, weshalb sich interne Ermittler um eine Aufarbeitung bemühen. Wer schoss? Mit welcher Waffe? Wieder gibt es angenommene Szenarien, die sich widersprechen und wieder ist es enorm diffizil, der Wahrheit ans Tageslicht zu verhelfen, weil jeder andere Erinnerungen in sich trägt.

Ästhetischer Krimi mit Sogwirkung

Drehbuchautor Holger Joos erzählt seine Geschichte nicht chronologisch. "Der Tod ist unser ganzes Leben" springt permanent zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, ohne dabei die Balance zu verlieren. Denn die prägenden Ereignisse des Vorläufers in den zahlreichen Rückblenden sind elegant aufbereitet und gekonnt mit dem Hier und Jetzt verwoben. Da die Geschehnisse des schief gegangenen Gefangenentransports ebenso häppchenweise und nicht logisch aufeinander aufbauend serviert werden, ist bis zum Finale völlig offen, was sich tatsächlich abgespielt hat.

Zusätzliche Sogwirkung erzeugt der Film übrigens durch sein Setting und das prägnante Sounddesign, das mal aus lärmenden Industrialklängen, mal aus bedrohlich wirkenden Orchestertönen besteht.

Somit ist der 75. Münchner Fall ein durch und durch starker, ästhetischer Krimi, der nicht nur versucht, Lügen zu enttarnen und Wahrheiten zu finden, sondern darüber hinaus die Belastbarkeit einer echten Männerfreundschaft testet. Mit dem Resultat, dass es im deutschen Fernsehen wohl keine größeren Buddy-Cops gibt, als die zwei bayrischen Silberlocken. Test also erfolgreich bestanden. Der nächste Fall kann kommen.

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