Neuer "Tatort" aus der Schweiz: ¯\_(ツ)_/¯

5.3.2017, 21:45 Uhr
Ein paar dramatische Szenen wie diese Flucht von Nurali Balsiger (Joel Basman, li.) und seinem verletzten Onkel (Jevgenij Sitochin) hat der neue "Tatort".

© ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler Ein paar dramatische Szenen wie diese Flucht von Nurali Balsiger (Joel Basman, li.) und seinem verletzten Onkel (Jevgenij Sitochin) hat der neue "Tatort".

Gemeinhin glauben Kulturpessimisten und Sprachschützer, dass den Begrifflichkeiten im Internet eine kulturzersetzende Wirkung innewohnt. Lol. Denn manchmal gibt es Momente, da trifft nichts eine Sache so gut wie eine kleine, einfache Abkürzung. Für den Tatort zum Beispiel: ¯\_(ツ)_/¯ Denn der elfte Fall aus der Schweiz löst nicht mehr als ein Schulterzucken aus. Das Wärmste in "Kriegssplitter" ist die Leiche am Anfang, was folgt sind eineinhalb Stunden, die einen furchtbar kalt lassen.

Ein Journalist stürzt aus dem Fenster eines Hotels in den Tod. Wie es der Zufall und das Drehbuch so wollen, hat sich Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser) heimlich mit seiner Affäre ein paar Etagen tiefer getroffen. In der Wohnung des Toten findet die Polizei später Hinweise auf undurchsichtige Verbindungen nach Tschetschenien. Der Journalist soll einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher auf der Spur gewesen sein.

Gleichzeitig kommt Nura Achmadova (Yelena Tronina) in der Schweiz an, eingeschleust, um ihren Zwillingsbruder zu finden, von dem sie während des Tschetschenienkriegs getrennt wurde. Ihr Bruder hat sich in der Schweiz mittlerweile eine Familie aufgebaut. Und die russische Botschaft hängt hier ebenfalls noch irgendwie mit drin.

All diese Fäden bekommt das Drehbuch jedoch nicht zusammen, ohne hier ständig Klischees zu bedienen. Aus dem Setzbaukasten für Sonntagabendkrimis kommt jede einzelne Minute, jeder einzelne Dialog. Schlimmster Satz: "Mein Oberstübchen (sic!) funktioniert noch granatenmäßig (sic!) gut." Das Oberstübchen des Zuschauers verabschiedet sich bei solchen Sätzen bereits in den Dämmerzustand. Dazu hat die Geschichte die eine oder andere Lücke im Plot. Wie kann Kommissar Flückiger auf dem Balkon im dritten Stock sofort wissen, aus welchem Stockwerk jemand gefallen ist, wenn er aus einer höheren Etage fiel?

Knietief im Klischee geht es am Ende weiter, wenn der Zwillingsbruder an seine Familie denken soll und wenige Minuten später in Zeitlupe durch den Flur des Kommissariats läuft – weidwunder Blick für die Frau inklusive. Übrigens spielt Flückigers Ermittlungsarbeit unter dem Hemd seiner Affäre schlussendlich doch gar keine Rolle mehr. Zumindest bleibt dieser Teil der Geschichte merkwürdig egal.

Und vielleicht wäre das alles ebenso irrelevant, wenn wenigstens die Kamera oder der Ton etwas retten könnten. Jedoch kommt fast jedes Bild völlig steif rüber. Von dieser Seite gibt es also ebenfalls keinen vernünftigen Fluss für "Kriegssplitter". Die Tonspur liegt dazu so bräsig und plump auf den Szenen, dass jedes starke Ausatmen seinen Platz in der Synchronisation für ein Spiel Damentennis hätte.

Nun kommt die Frage auf: Was macht eigentlich die zweite Kommissarin? Ja, Liz Ritschard (Delia Mayer) läuft ab und zu durch das Bild und schauspielert sich wesentlich souveräner durch die ganze Nummer als Kollege Flückiger. Mehr lässt sich nicht sagen. Außer vielleicht, dass sie ihre Kaffeetasse lustig hält.

Dieser "Tatort" bekommt seine vielen Fäden einfach nicht zusammen, die Figuren bleiben uninteressant, der Rest uninspiriert. Sein Thema bekommt er einfach nicht unter. So richtig Freude macht das alles nicht. Und würde es der Editor erlauben, dieser Text für mit einem Emoji aufhören – einem kleinen Äffchen, das verschämt die Hände vor die Augen hält.

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