Neuer "Tatort" aus Weimar: Hirn, Herz und Hoden

11.2.2018, 21:45 Uhr
Ein Auftragskiller räumt einen gewissen Interessen im Weg stehenden Kunstmäzen beiseite. Diese Ausgangslage führt die Fahnder an einen Steinbruch, in die Uni und sogar ins Bordell.

© MDR/Wiedemann & Berg/Anke Neugebauer Ein Auftragskiller räumt einen gewissen Interessen im Weg stehenden Kunstmäzen beiseite. Diese Ausgangslage führt die Fahnder an einen Steinbruch, in die Uni und sogar ins Bordell.

Obwohl die Folgen aus Thüringen ziemlich speziell sind, und sie somit nicht jedermanns Geschmack treffen, erfreuen sich Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner) einer großen Beliebtheit. Im Schnitt um die neun Millionen Zuschauer verfolgen die herrlich absurden Mörderjagden quer durch die mitteldeutsche Provinz, wo das wohl untypischste Ermittlergespann der nationalen Krimilandschaft seit 2013 Dienst schiebt.

Lediglich der zuletzt gesendete, am zweiten Weihnachtsfeiertag ausgestrahlte, fünfte Krimi tanzte da rein quotentechnisch ein wenig aus der Reihe. Und das, wo man doch dem inhaltlichen Konzept auch in „Der wüste Gobi“ treu blieb. Denn das erfolgsverwöhnte Autorenduo Clausen und Pflüger schüttelte eine weitere bizarre Geschichte aus dem Ärmel. Es erfand einen Frauenmörder mit Pudding im Nischel und Stahl in der Hose, der seinen hübschen Opfern bunte Dessous häkelte. Jürgen Vogel brillierte geradezu in der Rolle des georgischen Bademeisters, der den Frauen erst an die Wäsche und anschließend an den Hals ging.

Die schlechte Quote des fünften Weimarer "Tatorts" lag wohl daher hauptsächlich am ungünstigen Sendetermin. Der Weihnachtskrimi hat traditionell mit einer hohen Konkurrenz zu kämpfen und daher mit zumeist niedrigen Zuschauerzahlen. Außerdem machte die TV-Premiere des Films eines ehemaligen und zukünftig wieder im Ersten tätig werdenden "Tatort"-Kommissars dem ARD-Krimi das Leben schwer. Til Schweigers "Honig im Kopf" lief parallel bei den Privaten und vereinte fast annähernd so viele Zuschauer vor dem Fernseher wie "Der wüste Gobi".

Auftragsmörder mit Beziehungsproblemen

In "Der kalte Fritte", dem jetzigen Fall, werden Lessing und Dorn mitten in der Nacht in Weimars beste Wohngegend gerufen. Ein finnischer Auftragsmörder mit Beziehungsproblemen hat hier den angesehenen Kunstmäzen Alonzo Sassen mittels dreier Schüsse in Hirn, Herz und Hoden ins Jenseits befördert. Als dessen junge Frau Lollo (Ruby O. Fee) den Killer auf frischer Tat ertappt, fackelt sie nicht lange. Sie greift zur Büchse und erschießt den Einbrecher.

Die zunächst naheliegende Theorie, die Gattin habe etwas mit dem Mord zu tun, um sich dadurch das ein oder andere Erbmilliönchen zu erschleichen, erweist sich nicht nur wegen eines Ehevertrags rasch als Trugschluss. Hinter der Tat stecken ganz andere Gründe und ganz andere Leute. Während die Witwe also vom Radar der Kommissare verschwindet, geraten Fritjof "Fritte" Schröder (Andreas Döhler), Betreiber des "Chez Chériechen" und sein verhasster Bruder Martin (Sascha Alexander Gersak), Besitzer eines vor der Pleite stehenden Steinbruchs, sowie dessen Frau Cora (Elisabeth Baulitz) und Architektur-Professor Ilja Bock (Niels Bormann) Stück für Stück in den Fokus der Ermittlungen.

Es beginnt nun zwar eine gewohnt heitere, mit tollen Dialogen gespickte und hübsch inszenierte Mörderjagd, aber eben auch eine für Weimarer Verhältnisse nicht ausnahmslos banale und lustige Tätersuche. Vor allem die seit Jahren mit großer Leidenschaft gepflegte Hassbeziehung zwischen den Schröder Brüdern spült viele tiefgehende Momente an die Oberfläche. Insbesondere zum Ende hin, wenn eine minutenlange blutige Schlägerei hier und das im wahrsten Sinne des Wortes explosive Finale auf dem staubigen Grund des Steinbruchs dort diese gegenseitige Verachtung weiter veranschaulicht und als Folge dessen viel Dramatik auf den Bildschirm transportiert.

Gekonnter Genre-Spagat

Nicht minder ernst aber immerhin weitaus unblutiger verläuft eine von Murmel Clausen ebenfalls ins Drehbuch integrierte Nebenhandlung, die dennoch clever mit dem konkreten Fall verwoben ist. Darin nimmt Kripoleiter Stich (Thorsten Merten) eine prominente Rolle ein. Er erhält Besuch vom Vater, der offenbar eine große Kapazität auf dem Gebiet der Kunst ist. Leider muss Stich junior im Laufe der neunzig Minuten erkennen, dass sein Vater nicht der ist, für den er ihn all die Jahre gehalten hat. Ein ziemlich schmerzhafter Prozess für den Filius, der aufrichtig in Szene gesetzt ist. Trotz der komödiantischen Momente drum herum.

Ein weiterer Beleg dafür, wie gut "Der kalte Fritte" den Spagat zwischen Groteske und Dramatik meistert. Damit offenbart der Film übrigens quasi im Vorbeigehen noch rasch ein paar interessante neue Herangehensweisen im Thüringer "Tatort". Einem Reihenableger mit einem nach wie vor kongenialen Ermittlergespann, "dem", so Regisseur Titus Selge, "die immer gleichen Fragen nach dem Wann, Wo und Wie so trocken und humorvoll aus dem Ärmel kullern, als wären sie eben zum ersten Mal gestellt worden". Wie recht er hat.

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