Nürnberg hat einige Stärken, aber auch Defizite

26.9.2017, 19:49 Uhr
Nürnberg hat einige Stärken, aber auch Defizite

© Foto: Linz09.at

Zwar ist die Ausformulierung einer Kulturstrategie integraler und damit notwendiger Bestandteil der Bewerbung Nürnbergs um den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025". Aber Kulturreferentin Julia Lehner möchte diesen Prozess dennoch abgekoppelt von der eigentlichen Bewerbung sehen: "Unabhängig von unserer Kandidatur werden wir von der Entwicklung dieser Strategie nachhaltig profitieren", ist die CSU-Politikerin überzeugt.

Der erste große Workshop, der weit über hundert Fachleute aus den Feldern der Kultur, der Politik, der Verwaltung, dem Tourismus, der Bildung und anderen Querschnittsbereichen zusammenbrachte, fand im Kulturzentrum "Südpunkt" statt. Organisiert wurde er von der Berliner Firma "Netzwerk Kulturberatung" und deren Leiter Patrick S. Föhl.

Und Föhl hatte einige hochkarätige wie international erfahrene Experten dabei, die sich als Teamleiter von fünf Arbeitsgruppen Gedanken über die kulturelle Zukunftsgestaltung in Nürnberg machten. Da war zum Beispiel Ulrich Fuchs, der nicht nur Projektleiter im Team der Bewerbung Bremens um den Titel im Jahr 2010 war, sondern auch Programmdirektor im oberöstereichischen Linz, als es 2009 den Titel tragen durfte. Derzeit ist er Juryvorsitzender bei der Evaluierung künftiger Kulturhauptstädte für 2023, für die sich britische und ungarische Kommunen bewerben können.

Forderung nach Alternativtopf

Fuchs leitete die Arbeitsgruppe "Neue Kulturpolitik", die der Nürnberger Kulturverwaltung grundsätzlich zwar eine prima Arbeit attestierte, aber die doch noch mehr Transparenz bei der Kulturförderung einforderte. "Es gibt auch den großen Wunsch nach einer gemeinsamen Internet-Plattform, in der sich Künstler miteinander vernetzen können", fasste Fuchs ein Ergebnis der Diskussion zusammen. Bedauert wurde, dass es keinen "Alternativtopf" mehr im Kulturreferat gäbe, der die Förderung spartenübergreifende Projekte erlaube.

Fuchs, der zwanzig Jahre als Dramaturg am Bremer Theater wirkte und danach in diversen Funktionen für den dortigen Kultursenat tätig war, findet, dass in Nürnberg ein hervorragend bestelltes Feld vorbereitet liegt: "In Bremen mussten sich Hoch- und Subkultur erst einmal kennenlernen und sprachfähig miteinander werden. Das ist in Nürnberg überhaupt nicht nötig, weil hier alle offen für Kommunikation und gut vernetzt sind."

Bestätigt wurde das durch die hohe Teilnehmerzahl von Chefs wichtiger Kulturinstitutionen, aber auch vielen Vertretern der freien Szene. So war der designierte Staatstheater-Intendant Jens-Daniel Herzog extra aus Dortmund angereist, aber auch Ingrid Bierer (städtische Museen), Michael Bader (Tafelhalle), Ellen Seifermann (Kunsthalle), Jürgen Markwirth (Amt für Kultur und Freizeit), Kulturquartier-Intendant Matthias Strobl oder Gisela Hofmann vom Gostner Hoftheater zählten zu den Diskutanten.

Kulturmanagement an Schulen

Medien- und Kommunikationswissenschaftler Gernot Wolfram betonte als externer Fachreferent, dass sich ein zeitgenössischer Kulturbegriff von der Interkulturalität (also dem Austausch etwa zwischen migrantischer und einheimischer Kultur) lösen sollte. Statt dessen setzte er sich vehement für den Begriff "Trans-Kulturalität" ein, der die Gleichzeitigkeit verschiedener kultureller Prägungen gelten lässt. Das war einigen Workshop-Akteuren denn doch zu theorielastig und sie gaben lieber praktische Ratschläge. So plädierte eine Teilnehmerin dafür, in Schulen ein Kulturmanagement einzuführen, das aus dem vielfältigen Angebot in der Stadt passförmige Formate akquieren könne.

Aus der Arbeitsgruppe "Nürnberg neu erzählt" wurde der Ruf laut, dass der Fokus mehr auf die junge Szene gerichtet werden sollte. "Nürnberg ist zwar reich an Geschichte, aber mit der können wir im Heute wenig punkten", hieß es.

Philipp Zerweck von der Aktionsgruppe "NUE2025" gab zu bedenken, dass Hochschulpolitik nicht an den Stadtgrenzen enden dürfe. Das war sicherlich eine Anspielung auf die Einrichtung einer Technischen Universität in Nürnberg und ihre Auswirkung auf die Strukturen der Friedrich-Alexander-Universität. Die Neugründung dürfte noch zu einigen Debatten führen.

Natürlich bleibt so ein Brainstorming von vielen Fachleuten immer auch ein Stück unbefriedigend. Aber dem ersten Schritt soll schon bald ein weiterer folgen: Bereits am 23. Oktober lädt man zur nächsten Kulturstrategie-Tagung. Für Kulturreferentin Julia Lehner steht jetzt schon fest, dass es sehr gut war, dass Leute mit Blick von außen Nürnberg unter die Lupe nehmen. "Wir wären aus der Verwaltung heraus gar nicht imstande, alles so distanziert und differenziert zu betrachten wie dies die externen Experten tun."

https://kulturstrategie.nuernberg.de

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