„Nürnberg soll die Stadt sein, in der ich gerne lebe“

20.1.2017, 19:49 Uhr
„Nürnberg soll die Stadt sein, in der ich gerne lebe“

© F.: Thomas Heinold

NZ: Was gab für Sie den Ausschlag, den Chefposten bei den Nürnberger Symphonikern zu übernehmen?

Kahchun Wong: Der wichtigste Grund ist, dass ich hier das Gefühl habe, gemeinsam mit dem Orchester künstlerisch wachsen zu können. Ich möchte dem Orchester etwas geben, ich kann aber auch von ihm lernen. Von der erste Probe an hatte ich den Eindruck, dass das Orchester mit mir so weit gehen will wie es nur möglich ist. Ich kann durchaus sehr schwierig sein für Musiker, ich probe hart, Einzelheiten sind mir wichtig, ich gebe nicht auf, ich verlange viel. In Nürnberg habe ich den Eindruck, dass ich hier mit dem Orchester künstlerische Exzellenz erreichen kann. Und die Verantwortlichen hier haben ein modernes Verständnis von der Rolle eines Sinfonieorchesters im 21. Jahrhundert. Ich konnte alle meine Ideen einbringen, ich stoße hier auf große Offenheit, es gibt produktive Diskussionen. Ich glaube, ich kann hier viel verwirklichen: auf dem Gebiet der musikalischen Nachwuchsförderung genauso wie bei neuer Musik und bei der Entwicklung des Kernrepertoires.

NZ: Woran denken Sie dabei?

Wong: Ich mag zum Beispiel Schostakowitsch sehr gern. Ich denke dass dieses Orchester auch das sogenannte deutsche Repertoire sehr gut entwickeln kann und die Wiener Klassik. Auf der anderen Seite sind die Symphoniker sehr flexibel und offen für neue Musik.

NZ: Sie wollen moderne Musik und traditionelles Repertoire dann in den Programmen kombinieren?

Wong: Ja, natürlich immer unter der Berücksichtigung der künstlerischen Integrität: dass es auch wirklich passt. In dieser Hinsicht sehe ich mich als eine Art Kurator, der für eine Ausstellung die optimalen Kunstwerke aussucht. Die Musik soll nicht nur das Orchester ansprechen, sondern natürlich vor allem das Publikum. Ich träume von neuer Musik, die so aufregend ist, dass man nach dem Konzert nicht schlafen kann. Ich habe da großes Vertrauen in das Publikum. Natürlich aber werde ich auch darauf Rücksicht nehmen, was das Publikum hören will. Es geht darum, die richtige Balance zu finden – und um die nötige Offenheit.

NZ: Wie wichtig ist für Sie die Perspektive eines neuen Nürnberger Konzertsaals? Im Moment ist der ja noch ein Fernziel.

Wong: Ein neuer Konzertsaal ist für Nürnberg unglaublich wichtig. Nicht nur für mich persönlich als Raum künstlerischer Verwirklichung, sondern auch für Nordbayern. In Deutschland entstehen tolle Konzertsäle, wie jetzt die Elbphilharmonie in Hamburg oder der neue Saal in Bochum. Deutschland unterstützt Kultur sehr stark, und ich hoffe, dass das so weiter geht. Dieses Land ist eine Wiege der westlichen klassischen Musik, mit all seinen großen Komponisten. Die Meistersingerhalle hat zwar eine große Geschichte und ihre historischen Verdienste. Aber um das Wachstum eines Orchesters zu fördern, ist ein neuer Konzertsaal notwendig. Er unterstützt die Qualität der Musiker wie das musikalische Leben einer Stadt und einer Region. Wie wichtig das ist, sehen Sie daran, dass sich einige der großen Orchester nach ihren Gebäuden benannt haben: Gewandhaus in Leipzig, Concertgebouw in Amsterdam, Konzerthausorchester in Berlin. Ein neuer Konzertsaal würde die Entwicklung der Nürnberger Orchester enorm fördern, weit über den jetzigen Stand hinaus.

NZ: Was halten Sie von der Idee, dass die Symphoniker das Residenzorchester des neuen Konzertsaals werden?

Wong: Das wäre wunderbar. Es ist etwas völlig anderes, in einem Saal immer zu sein, dort zu proben und einen eigenen Klang für diese Halle zu entwickeln. Den Hallenklang wie den Orchesterklang. Ganz anders, als dort nur jeweils ein Konzert zu spielen. Es gibt wohl kein Orchester, das nicht einen eigenen Konzertsaal bevorzugen würde.

NZ: Wo soll Ihr eigener Lebensschwerpunkt in den nächsten Jahren liegen?

Wong: Zurzeit bin ich überall und nirgends. Ich lebe fast nur im Hotel. Aber ab nächster Saison soll das besser werden: Mein Management bündelt meine Auftrittstermine dann so, dass ich eine gewisse Zeit in Asien sein werde, dann in Amerika. Und dann werde ich natürlich noch einige Wochen in Nürnberg haben. Mein Traum wäre es aber, hier leben zu können, eine Wohnung zu haben und hier am ganzen Leben teilnehmen zu können. Natürlich ist es für mich immer auch wichtig, schnell am Frankfurter Flughafen zu sein. Aber Nürnberg soll die Stadt sein, in der ich gerne lebe, in die ich meine Freunde einlade, wenn sie mich mal besuchen wollen.

 

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