Nürnberg wird zur "Stadt für alle"

11.5.2018, 18:00 Uhr
Nürnberg wird zur

© Foto: Sebastian Lock

Herr Schnellbögl, über fast drei Wochen geht das Festival "Stadt für alle", das die Nürnberger dazu ermutigen möchte, das Stadtbild und -geschehen aktiv mitzugestalten. Was sind Ihre Beweggründe für dieses Projekt?

Sebastian Schnellbögl: Für meine Abschlussarbeit an der Ohm-Hochschule bin ich im Wintersemester 2016/2017 nach Schottland gegangen und war Teil des Projektes "City Lab", das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lösungen für den großen Leerstand in Aberdeen zu schaffen. Sprich zwischen Bürgern, die Räume brauchen, und Besitzern von Gebäuden, die leer stehen, zu vermitteln. Als ich dann wieder zurück nach Nürnberg kam, habe ich mich dem "Urban Lab" angeschlossen, eine Initiative für partizipative Stadtentwicklung. Wir haben letztes Jahr verschiedene Projekte aus dem Bereich "Do it yourself" angeboten und umgesetzt. So wuchs alles mehr oder weniger schnell, und so kamen wir auf die Idee des Festivals – wir sind ja nicht die einzigen in Nürnberg, die ein interessantes Angebot an Projekten haben, das sich direkt mit der Stadt und dem Leben in ihr auseinandersetzt.

 

Das hört sich auch nach einem politischen Auftrag an.

Schnellbögl: Per se ist das Festival nicht politisch ausgerichtet, so werden zum Beispiel keine politischen Meinungen vertreten. An sich ist die Aneignung von urbanen Räumen aber total politisch. Wir leben in einer Zeit der Politikverdrossenheit, einige Menschen meinen, sie könnten nichts mehr ändern. Dabei ist der kleinste gemeinsame Nenner die Lokalpolitik. Da kann man nämlich was ändern, indem man urbane Räume nach seinen Vorstellungen gestaltet, um auch eigene Lebensentwürfe abzubilden.

 

Wie sieht dieser Auftrag konkret umgesetzt bei dem Festival aus?

Schnellbögl: Es besteht auch sechs Bereichen: Arbeit, Lernen, Wohnen, Kunst, Kultur und Mobilität. In den ersten zwei Wochen stellen sich verschiedene Initiativen vor, die in diesen Bereichen bereits Angebote in Nürnberg schaffen. Wie Blue Pingu, die ein Lastenfahrrad gebaut haben, das theoretisch jeder nutzen kann. Insgesamt sind an die 20 Projekte beteiligt, das heißt, es wird eine unglaubliche Vielfalt an Veranstaltungen stattfinden, die alle das gemeinsame Ziel verbindet, sich den urbanen Raum anzueignen. Vom 31. Mai bis zum 2. Juni findet im Z-Bau in der Frankenstraße dann ein Symposium mit Vorträgen und weiteren Workshops zum Thema Stadtentwicklung von Unten statt. Wichtig ist uns dabei auch die Vernetzung dieser einzelnen Initiativen. Oftmals sind das ehrenamtliche Engagements, dementsprechend wenig Zeit bleibt, um sich untereinander kennenzulernen und auszutauschen. Dabei gibt es viele überschneidende Fragen und Probleme.

 

Das hört sich vor allem nachhaltig an. Soll das Festival auch regelmäßig stattfinden?

Schnellbögl: Es war zunächst als einmalige Veranstaltung geplant, aber bereits jetzt merken wir, dass da ein großes Potenzial und Interesse besteht. Allerdings brauchen wir finanzielle Planungssicherheit. Ich stecke seit Februar in einem unbezahlten Fulltime-Job, und das sehe ich auch gerade als Teil der Aufbauarbeit an, aber auf Dauer geht das natürlich nicht.

 

Inwiefern profitiert denn eine Stadt wie Nürnberg von der Selbstermächtigung seiner Bürger?

Schnellbögl: Die Stadtgesellschaft wird attraktiver. Dafür stehen auch Projekte wie die Beetpatenschaften, etwas ganz Banales eigentlich: Da wurde aus dem Missstand, dass Beete vandalisiert oder als Müllablageflächen genutzt wurden, ein Vorteil gemacht, indem diese Beetpatenschaften ins Leben gerufen wurden, die die Leute dabei unterstützen, sich um das Beet vor der eigenen Haustür zu kümmern. Man kann auch der Stadt keinen Vorwurf machen, dass sie einige Sachen nicht erkennt. Missstände müssen ja erstmal an die Oberfläche kommen.

 

Dennoch ist es auch die Aufgabe einer Regierung, einen Gesamtblick auf das Leben in der Stadt zu haben.

Schnellbögl: Absolut. Jede Stadt sollte sich intensiv mit der Subkultur und der freien Szene beschäftigen. Das gelingt aber Stadtverwaltungen nicht immer, weil sie steifer und träger sind und sich eher auf Sachen fokussieren, die laufen, wie Großevents. Dabei geht es weniger um die Einzelpersonen als um das Konstrukt Stadt und den dazugehörigen Verwaltungsapparat.

 

Die Stadt Nürnberg bewirbt sich um den Titel "Europäische Kulturhauptstadt 2025". Spielt diese Bewerbung auch eine Rolle bei Ihrem Festival?

Schnellbögl: Sehr sogar. Für uns stellt sich vor allem die Frage: Was passiert mit den jetzt dafür kurzfristig geschaffenen Geldern? Wird Bestehendes dadurch einfach noch mehr gefördert, wie zum Beispiel das Klassik Open Air, oder ergreift man die Chance, Neues zu fördern und damit innerhalb der Stadt den Blick über den eigenen Horizont zu erweitern? Und das ist vor allem auch wichtig für die Bürger, das kritisch zu beobachten. Diese Auseinandersetzung sehen wir auch als Chance und Aufgabe des Festivals.

 

www.stadtfüralle.de

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