Recherchearbeit über das Gefühl, das die Welt in Bewegung hält

21.2.2018, 08:00 Uhr
Recherchearbeit über das Gefühl, das die Welt in Bewegung hält

© Elif Mese/PR

Nach drei Jahren Pause steht eine neue Produktion des Theaters O an. Man habe sich als Off-Szene in Nürnberg nicht genug angenommen und wahrgenommen gefühlt, erklärt Regisseurin und Theaterpädagogin Elif Mese. Die Pause sei daher ein stiller Protest gewesen, die Leidenschaft zum Theater auf Dauer jedoch größer. Mit der Angst habe sie sich, der Theater O-Tradition folgend, einem Thema gewidmet, das gesellschaftlich aktuell relevant sei.
„F 41.0 / Phobos und Deimos“ heißt das Stück. Ein komplizierter Name, ist aber schnell erklärt: F 41.0 heißt der medizinische Schlüssel für die Diagnose der Angststörung und Phobos und Deimos sind die zwei Söhne des Kriegsgottes Ares, mit deren Hilfe er in der griechischen Mythologie Angst und Schrecken verbreitet. Den Zuschauer erwartet allerdings kein antikes griechisches Drama.

Viel Realität im Spiel

Opernsänger und Schauspieler Oliver Weidinger wird die Geschichte einer von einer Angststörung betroffenen Person verkörpern, zum Teil auch mit Gesang. Diese Figur sei komplett fiktiv, so Mese, das Besondere sei aber, dass sie nur „echte“ Texte vortrage. Dabei handle es sich unter anderem um Auszüge aus literarischen und medizinischen Artikeln, aber auch um Berichte von Menschen, die selbst unter verschiedenen Ängsten leiden. Diese Texte kämen oft aus Internetquellen. „Die Recherche für das Stück war harte Arbeit“, berichtet Mese. Gerade wegen der Vielschichtigkeit des Themas Angst sei es schwer gewesen, sich in der Vorbereitung nicht zu verlieren. Um den Zuschauern das Thema zugänglicher zu machen, hat das Team mehrere Collagen erarbeitet, bei denen es vor allem um eine Selbstreflektion des Einzelnen geht. „Jeder Mensch hat fünf oder sechs Stimmen in sich“, sagt Mese. Diese seien oft nur verschwommen wahrnehmbar und jede habe ihre eigenen Ängste.
Im Stück werden daher innere und äußere Stimmen dargestellt. Dabei helfen mediale Mittel wie Projektionen und Audiospuren, mit denen der Schauspieler in Interaktion tritt. In den verschiedenen Abschnitten werden immer wieder medizinische Diagnosen erstellt und deren Ursprünge hinterfragt.
„Ängste haben keine Nation“, sagt Mese. Schon immer habe es Ängste gegeben, überall auf der Welt. Sie unterschieden sich allerdings erheblich von einander. Das reiche von Urängsten über Phobien und Depressionen zur momentan spürbaren Bildungsangst der Jugend. Liegt das am Schulsystem? An der Pisastudie?

German Angst

Mit der German Angst bezieht sich Mese auf einen in Amerika und England gängigen Begriff. Er bezeichnet eine übergroße und als typisch deutsch empfundene Scheu vor dem Risiko. Und tatsächlich betont die Regisseurin: In kaum einem anderen Land gebe es mehr Möglichkeiten, Versicherungen abzuschließen als in Deutschland.
Angst sei überall. Sie beeinflusse von innen und von außen, in Form von Terror oder ökologische Problemen. „Ich kann keine Lösungen geben“, sagt Mese. „Wir können alle nur Impulse geben und Fragen stellen.“ Darum gehe es der Regisseurin auch in ihrer neuen Inszenierung: Das Publikum solle anfangen, aus einer anderen Perspektive heraus nach Hintergründen zu fragen. Was macht diese Welt, in der wir leben, wohin werden wir gelenkt?

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