Romantische Schauerstücke

9.2.2018, 18:54 Uhr

Schubert und Frank Martin standen auf Winckhlers Agenda, die mit Robert Schumanns "Belsazar" auf ihren ersten Höhepunkt zustrebte: keine Spur von auswendig gelernter Schullektüre, sondern bei dem Bariton aus Bayern ein balladeskes Musterstück. Das fängt er mit solcher Leidenschaft an, dass man sich fragt, wohin diese Hyper-Dramatik noch führen soll.

Denn bis zum Fluch des frevelnden Königs verlief alles schon mit Überdruck und in hohem Tempo: wenig Anschaulichkeit bei den "schimmernden Reih’n" der Kriegsknechte, wenig unheimlich die "weiße Hand an weißer Wand". Da hätte man sich raffinierte Balladen-Dramaturgie, mehr gliedernde Pausen gewünscht in diesem Babylon-Kino – "leise und deutlich" hatte sich Schumann das gewünscht.

In dessen "Liederkreis op. 24" gelangen Winckhler angemessene Proportionen ohne jede Süßlichkeit, aber mit einem mühelosen Zugang auch zu lyrischen Piano-Regionen, mit zuweilen hinreißendem Legato. Winckhlers Stimme nahm gefangen durch ihre virile, makellose Substanz, die ihn zu einem der bemerkenswerten Sänger einer nach vorn drängenden Generation macht. In allem Bemühen unterstützte ihn Klavierbegleiter Marcelo Amaral, Professor an der Musikhochschule Nürnberg und inzwischen viel international unterwegs. Besonders deckt sich sein Spiel mit dem dramatischen Zugriff von Winckhlers kerniger Stimme: keine Häkeldeckchenromantik.

Die Auswahl aus Schuberts "Schwanengesang" wies in die gleiche Richtung: Es waren die düsteren Schauerstücke mit dem Äußersten, was es stimmlich in der Liedlyrik gibt. Sicher könnte da manches noch bitterer und mehr von Nebel verhangen sein ("Am Meer") – aber man bewundert weiterhin auch, wie der Sänger Gefühle transportieren kann.

Die "Jedermann"-Monologe von Frank Martin waren eine logisch-sinnvolle Fortsetzung: auch wenn die Kleine Meistersingerhalle kein Salzburger Domplatz ist, Winckhler ist ein stimmlich wuchtiger Klotz von Mann, der dem Tod davonlaufen will und sich dann doch gottergeben in sein Schicksal fügt. Da gab es im Wettstreit mit dem Klavier viel Forte als nobel-expressiven Vorgeschmack aufs Jüngste Gericht. Die beiden Herren mit den roten Socken waren glücklich über den eindeutig positiven Beifall.

Nächster PMV-Termin: 4. März mit dem "Van Baerle Klaviertrio"

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