Schwungvoller Auftakt der Kreuzgang-Festspiele in Feuchtwangen

11.6.2017, 13:20 Uhr
Schwungvoller Auftakt der Kreuzgang-Festspiele in Feuchtwangen

© Foto: Theater

"Kiss me, Kate" ist ein großes Vergnügen für Augen und Ohren, auch für den Verstand und sogar ein bisschen fürs Herz. Selbst nach bald 70 Jahren, so alt ist das Stück schon, ist es witzig, wie das Autorenduo Samuel und Bella Spewack mit Shakespeare und der Geschlechterproblematik von "Der Widerspenstigen Zähmung" spielt – die könnte ja ein Fall für die Gleichstellungsbeauftragte sein, wird aber von den Spewacks hintersinnig ausbalanciert.

Irgendwo in der Provinz will eine Theatertruppe "Der Widerspenstigen Zähmung" als Musical herausbringen. Der Geschlechterkampf auf der Bühne setzt sich hinter den Kulissen fort. Oder umgekehrt: Die flammende Hassliebe der beiden Hauptdarsteller, zwei Alpha-Typen, greift vom Privatleben auf die Bühne über, löst sich aber nach einigen Turbulenzen in Wohlgefallen auf – was schon ein mittleres Theaterwunder ist.

Um den Broadway-Hit samt Cole Porters spritziger Partitur überzeugend auf die Freilichtbühne zu bringen, betreiben die Kreuzgangspiele einen Aufwand, den sich sonst nur größere Stadttheater leisten können. 19 Schauspieler, sieben Musiker und vier Statisten bietet Kaetzler auf. Keiner davon ist zu viel. Bis in die kleinen Nebenrollen hinein sind die Figuren klar und präzis erfasst. Die siebenköpfige Kapelle, die Bernd Meyer leitet, agiert druckvoll und farbig, sie hat Biss und Schmelz. Das flimmert, wummert, walzt und swingt.

Pfiffige Ausstattung

Ausstatter Werner Brenner zitiert für die Shakespeare-Teile üppigen Kostümhistorismus herbei und für die Backstage-Episoden die US-amerikanische Mode der Nachkriegszeit. Ein Clou ist, wie er seine schwierigste Aufgabe meistert, wie er die Hinterbühnen-Nüchternheit eines Provinztheaters auf die Freilichtbühne bringt, die mit Bäumchen und viel historischem Sandstein ganz woanders hingehört.

Brenner hat sich auseinanderziehbare, drehbare Raum-Kuben einfallen lassen, die nach Bedarf den Kreuzgang verstellen und Garderoben-Enge und Tristesse produzieren. Johannes Kaetzler nutzt das für schöne Brechungen, stille Komik, hingetupfte Nebengeschichten und Hintergrundbilder, die an Edward Hoppers Großstadt-Einsamkeiten erinnern.

Überhaupt führt Kaetzler sein Ensemble mit viel Detailliebe. Er inszeniert eine musikalische Charakterkomödie, in der sich die Hauptfiguren entwickeln können. Judith Peres als Lilli Vanessi ist eine distanzierte Diva, keifende Megäre und verletzte Liebende. Sie hat auch eine operettentaugliche Stimme. Achim Conrad als Fred Graham entlarvt Freds Macher-Attitüde und Eitelkeit als Schutzmechanismen. Schon nach dem ersten Duett von Lilli und Fred bekommt der egomane Dünkel Risse. Wunderbar. Auf einmal wird Fred ganz dünnhäutig, sensibel und nachdenklich.

Liza Simmerlein und Konstantin Krisch geben dem Nebenpaar, Lois und Bill, eindrucksvolle Statur. Hinreißend, mit welcher Präsenz und Stimme Liza Simmerlein Lois’ abgründigen Treue-Song interpretiert. Das Ganovenpaar von Lennart Matthiesen und Gerd Lukas Storzer ist ein abgefeimt gut gemachtes Komiker-Duo. Storzer hat auch eine schöne Zeile im Text, die glatt als Kommentar zu dieser Produktion funktioniert: "Oh, die läuft. Unterhaltsam, lebendig und bedient auch noch die Erwartungshaltung des eingebildetsten Theatergängers." Genau.

Weitere Termine: 10., 18., 21., 23., 25., 27., 29. Juni. Info-Tel. 0 98 52/90 444.

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