"Searching": Misslungene Vermisstenjagd im Netz

20.9.2018, 09:35 Uhr

© Sony

Einen Großteil ihres Lebens verbringen die meisten Menschen längst in der Online-Welt, zumindest in den Industrieländern. Der klassischen Filmindustrie fällt es sichtlich schwer, diesem neuen Lebensgefühl gerecht zu werden. Kino und Internet sind zwei Welten, die sich über eine oberflächliche Ebene hinaus offenbar schwer verknüpfen lassen. Es gab nur vereinzelt mal innovative Ansätze, etwa mit dem Horrorfilm "App". Oder eben mit dem Desktop-Film, bei dem das gesamte Geschehen über die Bildschirmansicht eines Computers gezeigt, also quasi über den PC erzählt wird. Diesen Ansatz gab es schon bei Streifen wie "Open Windows" und "Unknown User". Aber mit "Searching" wird er erstmals im Rahmen eines groß gestarteten Kinofilms konsequent umgesetzt.

Die Story: David Kim (John Cho) vermisst seine 16-jährige Tochter Margot (Michelle La). Zunächst hofft er, dass ihr Verschwinden harmlose Gründe hat. Schließlich kontaktiert er doch die Polizei. Detective Rosemary Vick (Debra Messing) ermittelt in dem Fall. Der verzweifelte Vater unterstützt sie dabei, indem er den Laptop von Margot durchsucht, die dort zu findenden Freunde befragt und nach Spuren im Internet recherchiert. Bald muss David feststellen, dass er seine Tochter längst nicht so gut kannte, wie er dachte. Gleichzeitig verdichten sich die Hinweise auf ein Gewaltverbrechen.

Anfangs souverän, dann eindimensional

Zu Beginn mutet die Gestaltung von "Searching" durchaus reizvoll an. Ständig ploppen neue Bildschirme auf. Vieles läuft parallel: konventionelle Chats, Videochats, das Betrachten von YouTube-Filmchen. Auch die Thriller-Qualitäten scheinen zunächst zu stimmen: Dem erst 27-jährigen Regisseur Aneesh Chaganty gelingt anfangs ein recht souverän aufgebautes Spannungsgerüst. Doch bald erlahmt das Interesse, insbesondere aufgrund der sehr eindimensionalen Figuren. Gegen Ende wird dann eine sehr abrupt und unbefriedigende anmutende Auflösung aus dem Hut gezaubert.

Der Zuschauer ahnt da, dass dies nicht der wirkliche Schluss sein kann. Der folgende Twist ist durchaus überraschend, wirkt aber allzu konstruiert. Was den Film endgültig ruiniert: Die Macher konnten es sich nicht verkneifen, ihm ein völlig unglaubwürdiges, Hollywood-typisches Happy-End anzupappen. Ein weiteres Problem: Die Desktop-Ansichten führen einfach nicht zu großen leinwandtauglichen Bildern. Kino und Internet - das bleibt anscheinend eine schwierige Beziehung. (USA/102 Min.)

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