Shelleys letztes Sonntagskonzert

10.4.2017, 18:35 Uhr
Shelleys letztes Sonntagskonzert

© Foto: Cindric

Nein, mit nur ein bisschen "Winke, winke" und ein paar feierlichen Reden zum Abschied von Alexander Shelley ist es nicht getan. Bereits zu Beginn der Spielzeit hat sich der Brite, Wahl-Nürnberger und Markenbotschafter der Symphoniker in James-Bond-Pose auf Werbeplakaten für seine letzte Saison in Nürnberg ablichten lassen und augenzwinkernd zum großen "Showdown" geblasen. Dessen Höhepunkte rücken nun in den letzten Konzerten des smarten Taktgebers unaufhaltsam näher.

"Ich bin dann mal weg" klebt als Etikett auf seinem letzten symphonischen Konzert in der Meistersingerhalle am Palmsonntag. Wobei es korrekt heißen müsste "ich bin dann mal (fast) weg": Ein paar Aufführungen samt Wunschkonzert und Abschiedsparty wird Shelley noch geben. Sie alle steuern auf die Klimax beim Klassik Open Air am 5. August zu, wenn Shelley die (vielleicht) letzte Notenseite in Nürnberg umgeschlagen hat und dann verdientermaßen mit den ganz großen Böllern hinausbegleitet wird.

Aber Shelley wäre nicht Shelley,
ließe er die Symphoniker nicht schon weit vorher und angemessen über den Abschied kündenden Taktstock springen. Mit einem musikalischen Triptychon aus Joseph Haydn, Franz Liszt und Peter Tschaikowsky riss er am Sonntag seine Zuhörer aus den Sesseln und zu stehendem Applaus hin. Klug, eigenwillig und pathosfrei choreografiert und dirigiert er (mit links) das letzte Sonntagskonzert und setzt dabei auf die musikalischen Fußnoten, die vor allem Haydn und Tschaikowsky zum Thema "Abschied" gesetzt haben.

Schöner als Haydn kann man ein Bye-bye auch nicht illustrieren. Hat er doch schon vor fast 250 Jahren als Hofkapellmeister am Hof des Fürsten Esterházy vorgemacht, wie es sich anhört, wenn zum Finale der fis-Moll Symphonie Nr. 45 ein Orchester nach und nach zu spielen aufhört. Haydn hat mit dem Adagio einen ungewöhnlichen Abschluss gefunden, in dem die Instrumente nacheinander verstummen und die Musiker sich von der Bühne machen. Shelley lässt sich wie immer humorbegabt auf das kleine Rollen-Techtelmechtel ein. In seinem Blick deuten wir die Frage: Wer geht hier eigentlich? Und wohin?

Die Melancholie der Sätze löst sich in Heiterkeit auf, deren Stimmung von Liszt in seinem Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur virtuos und magisch umgelenkt wird. Die italienische Pianistin Mariangela Vacatello vereinahmt das Orchester und ihr Instrument und stellt sich ganz in den Dienst von Liszts erklärtem Ziel "auf dem Klavier symphonische Wirkungen hervorzubringen". Vacatello interpretiert furios und begibt sich unter dem Dirigat von Shelley in die sich überlagernden Klanglandschaften, in denen das Piano stets das
Thema markiert. Zwei Zugaben, mit weniger gibt sich das Publikum nicht zufrieden.

Tschaikowskys "Pathétique" ist weithin als Abschiedssymphonie bekannt und bildet zusammen mit Haydn die Lebewohl-Klammer des Sonntagnachmittags. Die letzte Symphonie des Komponisten, der nur drei Wochen nach der Uraufführung starb, ist ein symphonisches Solitär, das seinen Siegeszug auf die Konzertbühnen erst nach Tschaikowskys Tod antrat. Shelley und seine Orchester nähern sich dieser Ausnahmeschönheit grazil aber zupackend.

Dem mit voller Wucht aufgedrehten 3. Satz folgt das Adagio lamentoso, der Coup nach dem verfrühten Beifall. Das klagende Adagio setzt ein wehmütiges Adieu, bevor Shelley die dirigierende Hand absetzt und damit Platz schafft für allererste Abschiedssträuße.

Weitere dürften folgen . . .

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