So feierlich klingen 70 Jahre

13.3.2016, 19:21 Uhr
So feierlich klingen 70 Jahre

© Eduard Weigert

Piano? Forte!“ Das Konzertmotto gleicht einem Fanfarenstoß und ist als Überschrift für die Feierlichkeiten wie die Entstehungsgeschichte der Nürnberger Symphoniker (die NZ berichtete) genial gewählt. „Aus dem Heimatorchester ist ein Weltorchester geworden“, ruft Staatsminister Markus Söder den rund 70 geladenen Gästen beim Empfang in einem Konferenzsaal der Meistersingerhalle freudig zu, zählt von Berlin bis Japan Spielorte auf, ein „Augen- und Ohrenschmaus“ sei dieses Orchester, „das uns lieb, natürlich auch teuer ist!“

Vielsagendes Lächeln. Ach, das liebe Geld! Im Beisein von Daniela Schadt, Lebensgefährtin von Bundespräsident Joachim Gauck (siehe Artikel rechts), Ministerpräsident a. D., Günter Beckstein, Kulturreferentin Julia Lehner, Vertretern aus Bezirk und Stadt wie langjährigen Unterstützern und Weggefährten des Orchesters, skizziert Söder die Fortschritte bei der Finanzierung des geplanten Konzertsaals und beschwört für die Symphoniker beruhigende Visionen herauf: „Wir wollen, dass Nürnberg auf derselben Höhe spielen kann wie München.“

Bürgermeister Klemens Gsell (CSU) erwidert schmunzelnd: „Wir haben nichts dagegen, wenn es hier mal so ist wie in München, wo Orchester fast zu 100 Prozent unterstützt werden . . .“ Gsell blickt auf die Anfänge – und schockt: „Die Gründung der Symphoniker fand ausgerechnet in Fürth statt! Kleiner Geburtsfehler.“ Dem belustigten Stöhnen im Saal folgt die von Gsell in Worte gefasste Hoffnung auf künstlerische Kontinuität nach 2017: „Schade, dass dieses Dream-Team Lucius Hemmer / Alexander Shelley auseinandergeht!“ Wer immer dem Chefdirigenten nachfolgen mag – gut weitergehen soll’s, denn: „Die Symphoniker sind das Orchester für die Nürnberger!“

So feierlich klingen 70 Jahre

© Eduard Weigert

Schon wird in bunte Häppchen gebissen und gläserklingend aufs Geburtstagskind angestoßen. So strahlend wie charmant schüttelt Shelley ununterbrochen Hände. Matthias Everding, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Nürnberg und Hauptsponsor, meint mit Blick auf die Szene: „Ich glaube, die Entwicklung der letzten Jahre ging absolut in die richtige Richtung. Und ich bin zuversichtlich, dass Hemmer jemanden auswählen wird, der in die Fußstapfen von Shelley treten kann.“

Wenig später sitzt die Prominenz in der ausverkauften Meistersingerhalle und lauscht dem rhythmisch mitreißenden Rákóczi-Marsch Franz Liszts, der zu einer inoffiziellen Hymne Ungarns wurde. Effektvoll präsentiert und mit triumphalem Ende, ein Festmarsch mit erhebenden Trommelwirbeln, und das Publikum in Feierlaune, die Party kann beginnen.

Herbert Coerper, erster Vorsitzender des Trägervereins, und Intendant Lucius Hemmer geben prägnante Einblicke in 70 Jahre Orchesterleben; die Erfolge, die Schwierigkeiten – und Hemmer spürt der Frage nach, was ein Orchester denn zu einem erfolgreichen Orchester mache. Chefdirigent? Vielseitigkeit? Ja. Doch sei es insbesondere das „ungebrochene Interesse des Publikums. Ohne Sie wären die Symphoniker nicht, wo sie heute sind!“

Und wo sie sind, zeigen sie in ergreifender Weise. Ohne Tschingderassabum. Mit einem Weltstar an den Tasten, bei Frederic Chopins Klavierkonzert e-Moll. Bereits im Werk versunken betritt Stadtfeld im edlen Gehrock die Bühne – und betört mit den ersten Anschlägen.

Perlend weich, sanft, dabei hinreißend lässig, so intensiv und dennoch unprätentiös tritt der vierfache Echo-Preisträger in Zwiesprache mit dem Orchester. Auffallend tief sitzt er, lässt bar jeder äußeren Show die Finger über die Tasten gleiten – Klavier- und Orchesterklang fließen ineinander, zauberhafte Melodie-Wellen glitzern auf und verschmelzen zu einem großen Strom. Wie einig sich Maestro und Pianist interpretatorisch bereits im Vorfeld waren, ist hör- und sichtbar.

Dass Stadtfeld den Steingraeber-Flügel in der von ihm bei Chopin bevorzugten, historischen Bach-Kellner-Stimmung stimmen ließ, verlangt dem Orchester besonderes intonatorisches Einfühlungsvermögen ab. Resultat ist ein magisch-schwelgerisches Erlebnis, so dicht wie ein einziger großer Atemzug. Viel Applaus – und eine Chopin-Zugabe des Ausnahmepianisten.

Bei Sergej Rachmaninows Symphonischen Tänzen begeistern die Symphoniker mit innerer Spannung, breiter dynamischer Palette und leidenschaftlichen Rhythmen. Die verschiedenen Orchestergruppen präsentieren sich hier so effektvoll wie traumverloren – sehnsuchtsvoll, aufwühlend, mit enormer klanglicher Weite und einem fulminanten Schluss samt großem Gongschlag erscheint das Werk wie eine schillernd-bewegende Reminiszenz an die 70-jährige Orchester-Geschichte.

Und dann? Ausklingen. Runterkommen. Feiern. Ohne Anspannung. Stadtfeld plaudert in Jeans und Sweatjacke über ein Chopin-Projekt und lobt die Offenheit der Symphoniker, Schadt und Lehner schwärmen von Rachmaninow und Shelley denkt über Urlaubstage nach. Viel Lächeln im Raum. Was für ein Fest. Alles Gute, für die nächsten 70 klangerfüllten Jahre!

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