Ein Spiel mit weiblichen Reizen

19.1.2017, 11:16 Uhr
Ein Spiel mit weiblichen Reizen

© Foto: Ludwig Olah

"Die Italienerin in Algier" bedeutete den Durchbruch für Gioacchino Rossini. Von da an grassierte für zwei Jahrzehnte das Rossini-Fieber in ganz Europa: Die "Italienerin" war das erste Werk des 21-jährigen Komponisten, das in Deutschland, Frankreich und Österreich zu sehen war. Il Giornale berichtete über den Riesenerfolg der Premiere am 22. Mai 1813 in Venedig, dass es "ohrenbetäubenden, anhaltenden allgemeinen Applaus" gegeben habe. Der Komponist meinte: "Ich dachte, die Venezianer würden mich für verrückt halten, nachdem sie meine Oper gehört hatten. Es stellte sich aber heraus, dass sie noch verrückter sind als ich. . ."  Nürnberg folgte mit einem kleinen zeitlichen Abstand: Hier war die Komödie erstmals 1932 zu erleben.

So belanglos die Handlung, so grandios sind die Musiknummern, die vor Melodienreichtum, Witz und dem gefürchteten Presto-Parlando nur so strotzen. So singen die Protagonisten im Finale des 1. Akts solch sinnstiftende Silben wie "din, din", "bumm, bumm", "tac, tac" oder "kra, kra". Und es ist die erste große Oper, in der eine Mezzosopranistin die Hauptpartie hat.

Isabella bezirzt die Männer

Nun wird die Österreicherin Ida Aldrian in die Rolle der selbstbewussten Isabella schlüpfen, die allen Männern den Kopf verdreht. Rossini schrieb seiner Heldin die gewaltigen Arien "Cruda sorte" und "Per lui che adoro" und vor allem das patriotische Schluss-Rondo "Pensa alla patria" in die Gurgel.

Apropos Gurgel, in die stopft Mustafa (Marcell Bakonyi), der Bey (Herrscher) von Algier, alles, was er essen und trinken kann. Denn Lindoro und Taddeo, der zuvor zum "Kaimakan" (Stellvertreter) des Beys befördert wurde, wollen ihn damit zum "Pappataci" (Vielfraß) ernennen. In Wahrheit handelt es sich um eine Finte, damit Isabella, Lindoro und Taddeo wieder zurück nach Italien flüchten können.

Europäer flüchten nach Nordafrika

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist für Regisseurin Scozzi, dass das Schiff mit den Italienern nicht zufällig am nordafrikanischen Strand gelandet ist, sondern sehr absichtlich. Sie dreht den derzeitigen Spieß um: Die Europäer flüchten aus wirtschaftlicher Not nach Afrika, um dort Arbeit zu finden. Sie treffen auf den einflussreichen Politiker und Lebemann Mustafa (Marcell Bakonyi), der den Emigranten die Pässe wegnimmt und sie für sich schuften lässt.

Das, was in so vielen "L‘italiana"- Inszenierungen zum Thema gemacht wird, der Zusammenprall von abendländischem und orientalischem Lebensstil, spielt für Scozzi keine große Rolle. Sie ist an den Beziehungs- und Machtverhältnissen rund um eine emanzipierte Frau interessiert, die mit ihren weiblichen Instinkten die Männer so lenken kann, dass sie ihr absolut ergeben sind. Das gilt nicht nur für ihren "offiziellen" Liebhaber Lindoro (Martin Platz), sondern auch für ihre ältlichen Verehrer wie Taddeo (Levent Bakirci), der als ihr Onkel ausgegeben wird, oder den ehrpusseligen Mustafa, dessen Frau Elvira (Ina Yoshikawa) allen Grund zur Klage hat.

Die musikalische Leitung liegt bei Guido Johannes Rumstadt, der sich als Belcanto-Experte in den letzten Jahren sehr bewährt hat. Zu sehen war die italienischsprachige Inszenierung, die deutsch und englisch übertitelt wird, im vergangenen Jahr bereits in Toulouse.

Premiere Samstag, 21. Januar 2017, 19.30 Uhr,

Weiter Infos unter: www.staatstheater-nuernberg.de

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