Stand-up-Comedian Oliver Polak kommt nach Nürnberg

18.9.2017, 17:25 Uhr
"Über alles" nennt sich Oliver Polaks neues Programm.

© F.: Gerald von Foris "Über alles" nennt sich Oliver Polaks neues Programm.

Der Stand-up-Comedian aus Berlin, der 1976 als Sohn eines Holocaust-Überlebenden und einer Germanistin aus Leningrad im emsländischen  Papenburg geboren wurde, erschüttert etablierte Strukturen.

Herr Polak, Sie bewerben Ihre neue Bühnenshow "Über alles" mit einem provokanten Foto. Darauf machen Sie eine Geste, als wollten Sie auf die deutsche Fahne urinieren. Ist das Ihre Art, gegen den neu aufkeimenden Nationalismus zu protestieren?

Oliver Polak: Auf dem Foto bin ich erst mal nur nackt und die Wurst ist ja noch nicht hart. Ich glaube, es wäre eher ein Ejakulieren. Das Zeug, was die AfD in den letzten zwei Jahren so geredet hat, hat mich einfach so geil gemacht. Zehn Jahre lang hat Daniel Josefsohn meine Cover gemacht, aber er ist voriges Jahr verstorben. Zuerst wollte ich etwas Neutrales machen, aber dann habe ich dieses Fotos mit Daniels Witwe und seinem ehemaligen Assistenten gemacht. Es ist meine letzte Verbeugung vor ihm. Der Titel der Show "Über alles" ist dreideutig, im Kern geht es darum, dass ich über alles spreche. Es ist vorerst meine letzte Stand-Up-Show, weil ich noch einen Schritt weiter gehen und andere Grenzen überschreiten will.

Viele, die eher klassisches Kabarett gewöhnt sind, verstört Ihr Humor. Fühlen Sie sich missverstanden?

Polak: Mein Ziel ist nicht, im Olympiastadion zu spielen. Andererseits war ich am Tag des Anschlags auf Charlie Hebdo in New York und sah Louis C. K. im Madison Square Garden vor 18.000 Zuschauern. Aber es war trotzdem intim. Ich glaube, wenn man etwas lange genug durchzieht, gibt es einen Kern an Leuten, der dich versteht.

Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?

Polak: Manchmal gehe ich morgens um halb neun mit meinem Hund Arthur raus auf den Spielplatz. Arthur ist da immer sehr lange am Herumschnüffeln, und da sind dann schon Kinder mit ihren Eltern. Wenn man mich so sieht, wirke ich nicht gerade vertrauenswürdig. Manche halten mich für einen Perversen, wenn ich da so verträumt rumstehe, weil sie den Hund nicht sehen. So ein Hund ist wie eine Bescheinigung: der Typ ist in Ordnung. Stellen Sie sich mal vor, Hitler hätte keinen Hund dabei gehabt. Dann hätte man gedacht, mit ihm stimmt etwas nicht. Aber weil er ihn immer dabei hatte, hielt man ihn für einen super Typ.

Der umstrittene Majestätsbeleidigungs-Paragraf ist soeben von der Bundesregierung abgeschafft worden. In Deutschland können Künstler sagen, was Sie wollen. Lieben Sie Ihre Heimat?

Polak: Das verleitet mich nicht dazu, Deutschland zu lieben. Was bestimmte Dinge angeht, bin ich froh, hier zu sein. Aber es gibt auch vieles, was ich nicht gut finde, von der AfD über die NPD bis hin zur nicht vorhandenen Identität der Deutschen. Das ist oft schon unerträglich. Wenn mich jemand fragt, wo ich herkomme, sage ich: "deutsch, russisch, jüdisch". Die deutsche Reaktion ist dann immer: "Warum musst du jetzt erwähnen, dass du jüdisch bist? Ich hab dich doch nicht nach deiner Religion gefragt". Sehen Sie: genau da fängt es an. Ich bin beruflich viel in New York und auch in Amsterdam kommen mir die Menschen offener und herzlicher vor. Da würde man antworten: Cool oder I’m sorry.

Die AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Alice Weidel, hat im Rechtsstreit über die Formulierung "Nazischlampe" in der NDR-Satiresendung "extra 3" eine Niederlage erlitten. Wie denken Sie darüber?

Polak: Ich muss sagen, ich gucke "extra 3" nicht. Und die AfD kann ich genauso ernst nehmen wie Dieter Hallervorden. Es ist doch ein Unterschied, wenn ein Stand-up-Comedian auf der Bühne etwas sagt oder irgend ein Typ auf Twitter. Wenn Alice Weidel fordert, politische Korrektheit gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte, macht sie alle Grenzen offen. So lange es nicht um einen selber geht, reißt man die Fresse auf. Man hat das Gefühl, dass alle Formate im Fernsehen sich auf die AfD einschießen. Die Frage ist, ob man diese Partei nicht manchmal schon ein bisschen verniedlicht. Es ist beängstigend, dass in Deutschland wieder Parteien wie die AfD salonfähig werden, die den Holocaust verharmlosen. Das spielt einem neu aufstrebenden Antisemitismus vor allem in der arabischen Bevölkerung in die Hände. Der dann wieder oft von Deutschen toleriert wird, weil sie das Gefühl haben, dann müssen sie ja nichts mehr sagen. Es ist alles ziemlich gruselig.

ZPre-Shows zu "Über alles" am 22. und 23. September, 19.30 Uhr, Monobar, Grasersgasse 1, Karten an den bekannten Vorverkaufsstellen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare