"Star Wars": Die Macht des Märchens und des Mammons

13.12.2015, 06:00 Uhr

© Foto: Lucasfilm

"Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie . . ."

So fängt es an, das erfolgreichste Märchen der Kinogeschichte: "Star Wars". Und von seinem ersten Satz an gibt es zu, dass es nichts sein will als ein Märchen: "Es war einmal . . .". Weil allen Kindern Märchen erzählt werden, und weil alle Märchen in archetypischen Mustern von Menschheitserfahrungen und Menschheitsträumen berichten, warten jetzt, 38 Jahre nach dem Start des ersten "Star Wars"-Films, Millionen Fans weltweit darauf, dass sich der Vorhang vor dem siebten Teil der Serie hebt. Das ist rund eine Generation später. Aber wir alle sind hilflos angefixt von den uralten Geschichten der bösen Stiefmütter, der schatzhütenden Drachen, der monströs bedrohten Prinzessinnen und der tapferen Ritter, die sie retten.

Von nichts anderem handelt "Star Wars". In der ersten Trilogie (1977—1983) war das ganz klar. Prinzessin Leia in der Gewalt der Schleimschnecke Jabba. Luke Skywalkers Sturz in eine Höhlenarena, in der er ein Ungeheuer abschlachten muss. Das Schluss-Duell mit dem Vertreter des absolut Bösen, der durch seine Niederlage eigentlich erlöst wird. Das alles kannten wir aus den Geschichten von Odysseus, den Argonauten, den Rittern der Tafelrunde. Und von ihren Nacherzählungen im Kino als Western, Antik-Epen, Kriegsfilmen, Abenteuerstreifen und ihren jüngsten Varianten in Form von Fantasy und Science Fiction. George Lucas und die Macher von „Star Wars“ erzählten die alten Geschichten lediglich auf dem aktuellen Niveau der Kino-Technik ein weiteres Mal.

Weil alles so einfach war, unterhalten sich "Star Wars"-Fans am liebsten über diese erste Trilogie. In der zweiten (1999—2005) ist es dann nämlich ein bisschen komplizierter geworden. Zwar hat die gereifte Computer-Technologie jetzt erst die wirklich fantastischen Bilder ferner SF-Welten ermöglicht. Aber die Geschichte von der Verwandlung des Helden Anakin Skywalker in den Bösewicht Darth Vader entsprach nicht den Regeln der Märchen und erst recht nicht den Gesetzen des Märchenerzählens in Hollywood. Sie war zu realistisch, sogar wenn wir um die letztliche Erlösung und Vernichtung des Bösen im Tod schon wussten.

Selbst in eine weitere Diskurs-Ebene zu "Star Wars" wurde mit der zweiten Trilogie Salz gestreut. Denn die Filme kannten noch eine unverzichtbare Märchen-Figur als Protagonisten: den weisen alten Denker – hier Yoda, den Jedi, mit all seinen Schülern. Mit Yoda kam das spirituelle Geraune über eine geheimnisvolle „Macht“ in die Filme. Die Intellektuellen, die sich mit dem naiven Spaß an der Space Opera nicht zufriedengeben wollten, begannen von einer neuen Mythologie zu murmeln. "Star Wars"-Erfinder George Lucas hat die Diskussion befeuert, indem er auf Einflüsse des Mythen-Forschers Joseph Campbell hinwies. In der zweiten Trilogie wurde die "Macht" allerdings auf ein biologisches Phänomen reduziert: die sogenannten "Midi-Chlorianer". Wieder eine Menge Realismus.

Das hat weder Fans davon abgehalten, sich bei Umfragen zur Religion des "Jediismus" zu bekennen; noch konnte es interessierte Kreise an weiteren theologischen Auslegungen von "Star Wars" hindern. Im Vorfeld der dritten Trilogie hat die Zeitschrift "Philosophie Magazin" gar eine Sondernummer zum Thema "Star Wars – Der Mythos unserer Zeit" — herausgebracht. Und im Fachblatt "EPD Film" (getragen von der Evangelischen Kirche) versucht sich der Theologe Michael Waltemathe an der spirituellen Exegese.

Solche Erscheinungen deuten an, dass man mit dem Hinweis auf "Star Wars" Interesse wecken und letztlich Verlagsgeschäfte machen kann. Denn eines ist die Serie ganz gewiss: die perfekte Verschmelzung von Märchen (meinetwegen auch Mythos) und Markt. George Lucas hatte sich schon beim ersten Film alle Vermarktungsrechte für die Nebenprodukte des Films (vom Spielzeug über das Kostüm bis zum Comic) gesichert. Und da der Zyklus, wie es im Umfeld von Märchen und Mythen gern geschieht, unter den Fans zu umfangreichen Gemeindebildungen mit dem Bedürfnis nach allen Arten von Ritualen und Reliquien geführt hat, liefen die Geschäfte durch die Jahrzehnte hindurch bestens.

Zuletzt hat George Lucas alle Rechte an den Disney-Konzern verkauft. In dessen Zuständigkeit startet nun die dritte Trilogie mit dem Titel "Das Erwachen der Macht". Konzerngründer Walt Disney hat man einst den Märchenonkel des 20. Jahrhunderts genannt. In seinen Animationsfilmen, Themenparks und Fernsehkanälen bewahrt er Kinderträume noch für Erwachsene, wenn auch immer hoch kommerziell und meist auf dem Niveau von Kitsch. Man darf gespannt sein, was dieser Konzern aus dem komplex gewordenen Stoff von Lucas macht.

Der erste Titel appelliert jedenfalls eindeutig an die Gemeinde. Was wird das sein, die Macht, die da erwachen soll? Die Neugier ist geschürt. Der Vorverkauf für die Premiere des Films am 17. Dezember läuft so gut wie bei keinem Film zuvor. Wenigstens bei den Gewinnerwartungen wird ein Märchen wahr.

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