Sven Regener schaut in Nürnberg vorbei

23.11.2017, 13:08 Uhr
Sven Regener schaut in Nürnberg vorbei

© Arno Burgi/dpa

Herr Regener, finden Sie das Berlin vor dem Mauerfall interessanter als das heutige?

Sven Regener: Nein. Aber man muss die Romane schreiben, wie sie kommen. Auf jeden Fall waren die frühen 80er Jahre in Westberlin aber eine interessante und wichtige Zeit. Für mich vielleicht auch besonders, weil ich damals 35 Jahre jünger war...!

 

Auf welche Weise hat die spezielle Situation in Berlin Ihre Figuren geprägt?

Regener: Westberlin war ein in viele Parallelgesellschaften gespaltener Ort. Und meine Helden leben in einer dieser Parallelgesellschaften, der Bohème der Zugereisten, der Künstler, der Freaks und so weiter und so fort. Gerade in der Reibung mit anderen Teilen, im Fall des Romangeschehens mit zum Beispiel Baumarktverkäufern, Kontaktbereichsbeamten der Polizei und so weiter entstehen dann viele seltsame Dinge.

 

Waren Sie damals selbst in der Kunstszene aktiv?

Regener: Ich war als Musiker unterwegs. Und wir machten viel schräge Musik, das kann man wirklich sagen.

 

Viele Ihrer Figuren sind sehr eigensinnig. Sind Ihnen solche Leute grundsätzlich sympathischer?

Regener: Nicht unbedingt. Das kann auch unsympathisch sein. Aber als Romanfiguren sind sie nicht langweilig, das ist schon mal gut. Langeweile ist in der Kunst dann ja doch das Schlimmste, auch in Romanen!

 

Woher kommt Ihre Vorliebe für Außenseiter, Freaks und Sonderlinge?

Regener: Wer Freak ist, wer Außenseiter, wer Sonderling, das liegt immer auch im Auge des Betrachters. Der Freak von heute ist oft der Spießer von morgen. Und meine Figuren sind immer alles Mögliche zugleich und dadurch, wie jeder lebendige Mensch auch, durchaus zerrisssene Figuren.

 

Die auftretenden Personen heißen u.a. Kacki, H.R. Ledigt und P. Immel, letzterer ist Chef der Galerie ArschArt. Wollen Sie damit sagen, dass Ihre Figuren der Pubertät noch nicht entwachsen sind?

Regener: Ja nun, Kacki und P. Immel sind Aktionskünstler, die sich an der Wiener Richtung eines Otto Mühl et alteri orientieren, da gehört so eine Benennung schon fast dazu. H.R. Ledigt ist genau die Art von kalauernder Namensfindung, die damals neu und sehr angesagt war. Das war überall zu finden, bei vielen Geschäften, Bands und eben auch Einzelkünstlern, bei der Benennung von Kneipen usw. usf. Davon ziehen sich Spuren bis heute.

Sie formulieren gerne Endlossätze. Bereits der erste Satz des Buches erstreckt sich über drei Seiten. Wird der Leser damit nicht überfordert?

Regener: Nein, man kann das zur Not ja auch überschlagen. Und es ist ja kein monstermäßig verschachtelter Satz, jedenfalls nicht nur. Ich hätte ihn auch mit mehreren Punkten unterteilen können, aber irgendwie brachte ich es nicht übers Herz, Punkte zu setzen, das hätte den Fluss rausgenommen, es handelt sich ja um die Wiedergabe der Erwin-Kächele-Gedankenwelt in der Dunkelheit einer schwarzgestrichenen Wohnung, sowas kommt in langen Strömen, die müssen dann auch so geschrieben sein.

 

 

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