"Tatort" aus Frankfurt: Eine schreckliche Familie

8.4.2018, 21:40 Uhr

© Das Erste

Den stets mutigen Frankfurter "Tatort"-Machern gelang mit ihrer letzten Episode ein besonders herausragendes Stück TV-Kost. Regisseur Andy Fetscher rührte in "Fürchte Dich" Bauteile des Horrorfilms und typische Krimi-Elemente zusammen. Das Resultat dieser Mixtur war ein sogenannter "Hybrid-Tatort". Ein spannender Grusel-Schocker, in dem Kommissar Brix (Wolfram Koch) herausfand, dass sich ein böser Geist in seinem Zuhause niedergelassen hatte.

Der unerwünschte Untermieter der herrschaftlichen Behausung am Stadtrand, die am Ende sogar in Flammen stand, piesackte aber nicht nur den Ermittler und dessen Kollegin Janneke (Margareta Broich). Er trieb auch Freundin Fanny (Zazie de Paris) in den Wahnsinn: Sie begann, wirres Zeug zu reden, malte Kreise an Wände und auf Böden und sah plötzlich tote Menschen, so wie einst der kleine Cole in "The Sixth Sense".

Obwohl Fetschers sehr ungewöhnlicher Krimi gut zu unterhalten und vor allem gruseln wusste, konnte der Großteil der "Tatort"-Gemeinde leider nur sehr wenig mit diesem Fall etwas anfangen. Deshalb hagelte es im Anschluss an die Ausstrahlung teils herbe Kritik. Doch damit nicht genug. Es entbrannte in Folge dessen gar eine regelrechte Grundsatzdebatte darüber, ob ein "Tatort" derartige dramaturgische Experimente wagen dürfe. Rufe nach einer "Experimentier-Obergrenze" machten die Runde und laute Forderungen nach mehr klassischen Episoden hallten quer durchs Land.

Monster aus Fleisch und Blut

Einen kleinen Teil zur Befriedung könnte da der inzwischen siebte Einsatz von Janneke und Brix leisten. Denn im Vergleich zu "Fürchte Dich" schlägt "Unter Kriegern" moderatere Töne an und widmet sich weitestgehend Krimi typischen Themen. Um einen ganz gewöhnlichen Ermittlerkrimi von der Stange, so wie ihn Traditionalisten favorisieren, handelt es sich bei Hermine Huntgeburths Film aber dennoch eher nicht.

Schließlich tischt sie dem Zuschauer eine ähnlich schauderhafte Geschichte auf. Geister oder Untote spielen darin zwar keine Rolle. Dafür aber zwei ziemlich lebendige Monster aus Fleisch und Blut, die mit dem allergrößten Vergnügen zu den Klängen von Desire (Under Your Spell) und Suicide (Dream Baby Dream) ihren Mitmenschen das Leben zur Hölle machen.

Der eiskalte Karrierist Joachim Voss (Golo Euler) ist Monster Nummer eins. Tagsüber im Büro seiner Investmentfirma lässt er keine Gelegenheit ungenutzt, die verängstigten Mitarbeiter zu beleidigen und ihnen jedwede Daseinsberechtigung abzusprechen. Zu Hause führt Voss sein Regiment des Schreckens ungehemmt weiter. Mal wird die Frau verprügelt, mal mit Worten verletzt. Die total verunsicherte Gattin (hinreißend: Lina Beckmann) lebt in ständiger Furcht. Nur bei ihren Pferden und in einem auffallend warm eingerichteten Raum in der ansonsten kahl und kalt wirkenden Villa findet sie so etwas wie Zuflucht.

Da der Apfel bekanntlich nicht weit vom Stamm fällt, steht Joachims Sohn Felix (Juri Winkler) seinem Vater in nichts nach. Monster Nummer zwei ist in seinem Sozialverhalten ebenfalls zutiefst gestört. Er piesackt die Mutter mit gleicher großer Leidenschaft wie seine Mitschüler, ignoriert eine am Boden um Hilfe flehende Frau und nötigt dem Lehrer eine bessere Note ab, in dem er ihn bedroht.

Den obligatorischen Toten, den es in einem "Tatort" natürlich braucht, der letztlich aber lediglich den Anstoß dazu gibt, dieses bizarre Familiendrama offenzulegen, finden Janneke und Brix in den Kellerräumen eines Sportleistungszentrums, das von Voss ebenfalls mit eiserner Hand geführt wird. Wegen einiger Indizien geraten Sadist Senior und Sadist Junior rasch unter Verdacht, etwas mit dem Mord an den kleinen Malte, der wie Felix in der Einrichtung trainierte, zu tun zu haben.

Kleines filmisches Kunstwerk

Huntgeburths zweiter "Tatort" nach "Die Geschichte vom bösen Friederich" ist eine sehr gut durchdachte und runde Arbeit. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sie sich gar als ein kleines filmisches Kunstwerk, und erinnert in einigen Punkten an das vor zwei Jahren gesendete Debüt, in dem ein perfider Frauenmörder sein Unwesen trieb.

So macht sich die Regisseurin die Möglichkeiten der Farbgebung abermals zunutze. Je nach Stimmung des Vaters verändert der Film komplett sein Aussehen. Auch sämtliche Szenen mit dem für sein Alter beeindruckend aufspielenden Juri Winkler besitzen ein spezielles Setting. Die Sequenzen mit dem kindlich wirkenden Satansbraten sind allesamt in ein verräterisch warmes Licht getaucht. Zusätzlich begleitet eine für diesen Charakter viel zu lieblich klingende Melodie das bizarre Handeln von Felix fast über den ganzen Film. Einem Film, mit dem sicherlich wieder größere Teile der "Tatort"-Gemeinde etwas anzufangen wissen.

Verwandte Themen


0 Kommentare