"Tatort" aus Kiel: Der Mörder, der fremde Zahnbürsten leckt

29.11.2015, 21:45 Uhr
Kommissar Klaus Borowski (l.) mit Serienkiller Kai Korthals (r.).

© NDR/Philip Peschlow Kommissar Klaus Borowski (l.) mit Serienkiller Kai Korthals (r.).

Großes Unheil bricht meistens dann über einen herein, wenn man es am allerwenigsten gebrauchen kann - frag' nach bei Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg). Just in dem Moment, als der Ermittler seiner zurückgekehrten Liebe Frieda Jung (Maren Eggert) einen Antrag macht, rufen ihn die Kollegen aufs Revier. Und das an seinem freien Tag. Doch Freiheit ist bekanntlich sowiso eine Illusion.

"Er kann alles. Er kommt durch die Wand", stammelt die verwirrte Mandy Kiesel (Lea Draeger) dort im Büro des Polizeirats. Das Mädchen wird seit Monaten vermisst, sie stammt aus einer Heilanstalt; wenige Stunden zuvor taucht sie wieder auf, in einer Kühltruhe am Strand.  Aus ihrem Leib schnitt ihr jemand ein Baby heraus. Doch noch kann sich keiner der Beteiligten einen Reim auf das machen, was die junge Frau da so zusammenbrabbelt.

Böse Vorahnungen

Mandy verlangt nach Blatt und Papier. Kurz bevor sie kollabiert, beginnt sie, wie ferngesteuert, wirre Skizzen an die Wand zu malen. Eins der Bilder zeigt den Ort, an dem sie gefangen gehalten worden war. Erkennen kann man jedoch herzlich wenig. Schließlich macht Kommissarin Brandt (Sibel Kekilli) auf einer weiteren Zeichnung das Konterfei von Kai Korthals aus. Nicht nur ihr läuft dabei ein kalter Schauer über den Rücken. Borowski, mittlerweile schnauzbärtig, fährt der Schreck ebenso in die Glieder. Der Frauenmörder, der sich vor drei Jahren als unbemerkter Besucher in die Wohnungen alleinstehender Frauen geschlichen hatte, ist zurück. Er setzt sein perfides Spiel fort.

Damals konnte der von Lars Eidinger sensationell dargestellte Psychopath dummerweise entkommen. Nicht nur zum Leidwesen der Kommissare. Die gesamte "Tatort"-Gemeinde war schockiert. Sogar "Tatort"-Erfinder Witte schüttelte entrüstet den Kopf und ätzte per BILD: "Ein Mörder darf nicht entkommen". Nun leckt Paketzusteller Korthals wieder voller Inbrunst an den Zahnbürsten seiner Opfer. Einer der größten Geistesgestörten innerhalb der "Tatort"-Reihe teilt sich mit Omi eine Dachgeschosswohnung in einer Plattenbausiedlung. Doch zu sehen ist Omi nie. Man möchte es nicht aussprechen, ahnt aber doch Böses.

Drehbuchautor Arango schrieb damals wie heute den Plot. Penibel hat er darauf geachtet, sich beim Sequel nicht zu wiederholen. So agiert Korthals anders als vor drei Jahren. Sein Vorgehensmuster scheint verändert, ja, weiterentwickelt. Korthals holt sich die Opfer nun in die Wohnung, ist nicht mehr nur der stille Gast. Seine Psychosen wirken dabei ausgeprägter: Man denke nur an die Dialoge mit Omi. Die psychisch gestörte Mandy macht er zur Mutter. Das Kind schneidet er ihr aus dem Bauch heraus.

Mama Mandy stirbt wenig später im Krankenhaus. Als Korthals das erfährt wirkt er fast ein bißchen wehmütig. "Ich bin kein schlechter Mensch", sagt er.

Wirklich gruseliger Film

Eben deshalb, aus dieser Empathie heraus, bringt Korthals das kleine Bündel Mensch zum Arzt. Das Kind muss in der Klinik bleiben. Als bekannt wird, wer der Vater ist, kommt das Baby in Gewahrsam. Der gereizte Killer schnappt sich Borowskis Auserwählte und fordert einen Austausch. Was nun beginnt, ist ein grandioses Kammerspiel, ein Psychoduell zwischen dem Getriebenen, dem Geistesgestörten und dem Kommissar, der am Rande der Legalität agiert und darum kämpft, seine Liebe wieder in den Armen halten zu können. Gut gegen Böse. Wieder einmal. Doch ist es so einfach? Willkommen auf der dunklen Seite, mein lieber Borowski.

"Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes" ist ein von Anfang an durchdachter Thriller. Mit der ersten Minute entfaltet er eine unglaubliche Spannung und löst eine gewisse Beklemmung aus. Regisseurin Claudia Garde liefert einen wirklich sehenswerten und gruseligen Film ab, bei dem alle Szenen ineinandergreifen, auch wenn das Ende für Traditionalisten erneut unzufriedenstellend sein könnte.

Denn Korthals liegt zwar schwer verwundet und umringt von Polizisten am Boden. Doch Handschellen klicken bei ihm nicht. Wer weiß, vielleicht tüfteln sie in Kiel schon an einer dritten Folge. Sollte das große Unheil vielleicht nochmal eine Fortsetzung bekommen - den Zuschauern dürfte es nur recht sein.

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