So gut war der "Tatort" aus München wirklich

23.10.2016, 21:45 Uhr
In der Sache vereint, wenig später getrennt: Leitmayr (r.), Batic und dessen schwarze Herrenschuhe.

© BR/X Filme/Hagen Keller In der Sache vereint, wenig später getrennt: Leitmayr (r.), Batic und dessen schwarze Herrenschuhe.

Die Wahrheit austricksen? Kinderspiel: Was im nächsten Satz steht, ist falsch. Was im vorherigen Satz steht, ist wahr. Aber nicht das Köpfchen zerbrechen, denn das machen an diesem Wochenende die Macher des "Tatort" aus München. Dafür gibt es für die Zuschauer eine der besten Ausgaben des Jahres vom Sonntagabendkrimi.

Mitten in der Landeshauptstadt tötet ein Unbekannter einen Familienvater. Mit mehreren Messerstichen, direkt vor einer Bank. Perfiderweise gab er sich dabei als Verletzter aus, um besonders nah an sein Opfer heranzukommen. Der Täter? Kann fliehen. Das Motiv? Keine Ahnung. Die Zeugen? Erzählen scheinbar alle von unterschiedlichen Vorfällen. Das große Rätselraten für die Ermittler Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) geht los.

Erste Erkenntnis des Abends: In Verfolgungsjagden in US-Serien ziehen sich Kommissare und andere Staatsbedienstete schwerste Verletzungen zu und humpeln weiter – im deutschen "Tatort" beendet bereits der verlorene schwarze Herrenschuh den Einsatz. Mit Socken auf Kies, das ist eben unangenehm. Den Verdächtigen können Batic und Leitmayr trotzdem festnehmen, doch die zweite Erkenntnis folgt: Der schizophrene Obdachlose mag zwar kochendes Wasser auf Passanten schütten, zum Messer greift er deswegen nicht. Sackgasse. Und erstmal das Ende der Erkenntnisse.

Batic und Leitmayr landen so im Labyrinth ihrer eigenen Ermittlungen. Der Fall dreht sich im Kreis. Weitere Zeugen tauchen auf sowie der Bekloppte, der gerne der Mörder wäre, und die Witwe, die gerne den Mörder gefunden wüsste. Das Sinnbild für die nervenaufreibende Suche geben die Kommissare gleich selbst ab. Männer, die auf Pinnwände starren. Und auf Reißzwecken kauen. Dazu scheint jeder Zeuge einen andenen Mord beobachtet zu haben - kaum eine Version deckt sich mit der anderen.

"Unser Leben ist der Tod. Überall nur Leichen." Sätze, die in einem Drehbuch fallen dürfen, wenn der schmierige Reporter der Presse in Jogginghose und mit Kamera um den Hals die Witwe verfolgt. Autor Erol Yesilkaya macht hier nicht den Fehler, die ganz großen Antworten auf eine ganz große Frage zu suchen. "Es kann sein." "Glaubst Du es?" Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Oder eben nicht.

Während Batic die Witwe betreut, verzweifelt Leitmayr an sich. Er hat die Leitung der Soko bekommen. Alleine. Und es geht nicht voran. Sackgasse. Wieder einmal. Selbst eine DNA-Analyse bringt die Kommissare dem Täter nicht näher. Auch nach einem zweiten Mord keine neue Spur, die zu dem Gesuchten führt.

Da dürfen Kommissare traurig in der Karaoke-Bar zur schlechtesten Version von "Nothing Else Matters" sitzen, das nimmt der Sache nicht die Dynamik. Was an der guten Kamera und der besseren Musik von Filmkomponist Thomas Mehlhorn liegt. Der Krimi darf in sein Nachbargenre rutschen. Willkommen im Thriller. Und dieses Fach beherrschen die Schauspieler ebenfalls.

So bleibt dann endlich die letzte Erkenntnis des Abends: Das folgende Ende nur logisch, konsequent und vorhersehbar. Was ihm aber wenig an Kraft nimmt. Weil dieser "Tatort" den Mikrokosmos seines Falls nicht verlässt, weil er an den Figuren bleibt, an Batic, an Leitmayr, an Witwe Ayumi. Manchmal reicht der Glaube an eine Wahrheit schon, um weiterzumachen. Alle anderen müssen sie suchen. Und sei es in der Sackgasse.

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