"Tatort": Der Flüchtlingstod im gelobten Ländle

21.2.2016, 21:45 Uhr
Thorsten Lannert (Richy Müller) will, das Nigerianerin Lela (Florence Kasumba) sich als Zeugin für die illegalen Flüchtlingstransporte zur Verfügung stellt.

© SWR/Johannes Krieg Thorsten Lannert (Richy Müller) will, das Nigerianerin Lela (Florence Kasumba) sich als Zeugin für die illegalen Flüchtlingstransporte zur Verfügung stellt.

Seit seiner Zeit als Undercover-Agent in Hamburg ist Zusammenarbeit nicht unbedingt die leichteste Übung für Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) - schließlich war er dort die ganze Zeit auf sich allein gestellt. Deshalb passt ihm auch die Kooperation mit dem Drogendezernat in "Im gelobten Land" bei der Observation eines abgestellten Lastwagens auf einer Autobahnraststätte nicht in den Kram.

Doch Lannert und Bootz (Felix Klare) suchen den Mörder von Großdealer Baschir und gehen davon aus, dass der Fahrer des Lasters sie auf eine heiße Spur zum Killer führen könnte. Also starren gleich mehrere Cops über Stunden auf den Lkw. Doch nichts passiert. Bis Lannert der Kragen platzt und der Wagen auf sein Drängen hin geöffnet wird.

Das Bild, das sich den Kommissaren dann bietet, ist an Schrecklichkeit kaum zu überbieten: Auf der Laderampe befinden sich 23 tote Flüchtlinge. Sofort fühlt man sich an den realen Fall aus Österreich erinnert, bei dem im vergangenen Sommer kurz hinter der Grenze ein Lkw mit mehr als siebzig Toten aus dem Verkehr gezogen wurde. Doch der Stoff aus der Feder von Christian Jeltsch ist älter, wie der Autor, der auch das Drehbuch für "Hundstage" kredenzte, in einem Interview versichert. Sein Plot zu "Im gelobten Land" wurde von der Realität eingeholt.

Lannert und sein Bauchgefühl

Schnell hat Lannert hier eine Ahnung, wer hinter der Tat stecken könnte. Sein Bauchgefühl sagt ihm, dass Milan Kostic (Sascha Alexander Gersak), Baschirs Kronprinz, der Hauptverdächtige ist. Auf eigene Faust heftet Lannert sich an die Fersen des mutmaßlichen Schleusers und folgt ihm durch die heiße Stuttgarter Nacht bis in ein Flüchtlingsheim, wo der sein "Reisebüro" hat und sich obendrein mit einer Geisel verschanzt.

Der riesige, heruntergekommene Bau bietet so die Kulisse für den kompletten restlichen Krimi. In den kahlen, unfreundlichen Räumen liefern sich Lannert und der auf schwäbisch wütende Kostic ein packendes Psycho-Duell. Der lebensmüde Cop brüllt seinem Widersacher dabei mehrmals ins Gesicht: "Schieß doch!" Doch Kostic schießt nicht. Sondern stellt Lannert vor ein Dilemma.

Gewährt der Kommissar Kostic freies Geleit als Preis dafür, dass der ihm den Ort eines anderen, mit Flüchtlingen befüllten Lkws mitteilt? Oder führt er Kostic seiner gerechten Strafe zu? Dies geschähe aber auf Kosten weiterer Toter, denn ein zweiter Flüchtlingskonvoi ist bereits unterwegs und nur Kostic weiß, wann und wo er ankommt.

Ambivalenter Bösewicht

Regisseur Züli Aladag will mit seinem rasanten Krimi kein Urteil fällen. Das möge der Zuschauer bitte selbst tun. Auf der Anklagebank nimmt deshalb nicht einmal der Schleuser Platz. Ihn zeichnet Aladag als ambivalente Person. Einerseits ist Kostic der skrupellose Verbrecher, der für Geld alles tut und den eine permanente Wut begleitet. Andererseits zeigt ihn Aladag als Mensch, der als ehemaliger Migrant tatsächlich daran glaubt, er würde den Flüchtlingen Gutes tun, wenn er sie für teures Geld und unter lebensbedrohlichen Umständen nach Deutschland schleust. Schließlich zahlen die Reisenden erst bei Ankunft.

Aladag behält also den mahnenden Zeigefinger in der Hosentasche. Und er tut gut daran. Das Thema allein ist brisant genug. Der Regisseur kann sich zudem auf einen großartig aufgelegten Richy Müller verlassen, der dem Zuschauer große Freude bereitet. Allerdings muss Aladag sich die Frage gefallen lassen, weshalb er zahlreiche Nebenrollen mit bekannten "Tatort"-Gesichtern und nicht mit frischen, unbekannten Akteuren besetzt hat. Ein Heckenschütze, der noch vor kurzem als Fliegerhorstleiter Kommissarin Furtwängler schöne Augen gemacht hat, wirkt etwas deplaziert und irritiert den geübten "Tatort"-Seher. Ähnlich verhält es sich bei Kostics Schwester Mitra, die der Zuschauer als Staatsanwältin aus den Schweiger-Folgen kennt. Aber gut, ein Haar schwimmt in der Suppe ja bekanntlich immer.

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