"Tatort" Schwarzwald: Großer Horror im kleinen Paradies

1.10.2017, 21:45 Uhr
Nicht gerade von seiner pittoresken Seite zeigt sich der Schwarzwald in der neuen "Tatort"-Produktion des SWR.

© SWR/Johannes Krieg Nicht gerade von seiner pittoresken Seite zeigt sich der Schwarzwald in der neuen "Tatort"-Produktion des SWR.

Nach dem Ende des Bodensee-"Tatorts", dessen letzte Episode vergangenen Dezember über den Sender ging, fällt mit "Goldbach" der Startschuss für den neuen Ableger aus dem Schwarzwald. Ab sofort gehen hier Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jürgen Wagner) für den SWR auf Streife. Anders als bei Kommissarin Blum (Eva Mattes), die zumeist im stets wolkenverhangenen Konstanz ihren Dienst verrichtete, umfasst das Einsatzgebiet von Tobler und Berg – ähnlich wie im Franken-"Tatort" – also gleich eine ganze Region. Deutschlands größtes Mittelgebirge mit seinen dichten Wäldern, düsteren Schluchten und abgelegenen Höfen liefert somit die Kulisse für neue, abgründige Krimis.

Dass der Umgebung in diesen TV-Filmen eine weitaus dominantere Rolle zukommen soll als in vielen anderen Ausgaben der "Tatort"-Reihe, ist gleich zu Beginn unübersehbar. Eine Totalaufnahme einer verschneiten Schwarzwald-Landschaft eröffnet "Goldbach". Mehrere Sekunden passiert nichts. Bis ein Schuss die Stille rigide unterbricht und man im nächsten Bild die zwei Kommissare durch das Grau fahren sieht. Gesprochen wird dabei kein Wort. Schweigend nähern sich Tobler und Berg ihrem Zielort, an dem durch ihr Auftreten das große Grauen ausbrechen wird. Eigentlich ist die kleine Schwarzwaldsiedlung, in der sich die Reutters, die Buchwalds und die Benzingers ein kleines Paradies geschaffen haben, ja ein Idyll, von dem jeder Großstädter träumt. Doch eben dieses heile Fleckchen Erde verwandelt sich durch den Tod der elfjährigen Frieda und dem spurlosen Verschwinden des Nachbarjungen in einen Ort des Schreckens.

Ein Paradies in Flammen

Robert Thalheim gibt sich in "Goldbach" allergrößte Mühe, den Schwarzwald nicht von seiner pittoresken Seite zu zeigen. Stattdessen betont er die raue, wilde Facette. Mit ein Grund, weshalb er den Film unbedingt noch im Spätwinter drehen wollte, wenn die Wiesen noch nicht grün sind, wie er in einem Interview mit dem Sender gestand. So viel Beachtung Thalheim seinen Kulissen und deren perfekter Inszenierung schenkt, so wenig Interesse zeigt der Regisseur an einer dramaturgischen Einführung seiner beiden Neu-Kommissare. Doch auch dahinter steckt Absicht, da Thalheim daraus, einem bereits eingespielten Team bei der Arbeit zuzusehen, einen größeren Reiz zieht als aus der detaillierten Vorstellung der Fahnder. Publik wird lediglich, dass Berg der Kategorie "sperriger Typ" zugerechnet werden kann, der keine Scheu davor hat, in Konflikt mit seinen Vorgesetzten zu treten und durchaus so seine Differenzen mit den Obrigkeiten pflegt. Tobler reagiert dagegen bedeutend einfühlsamer. Trotzdem sind die zwei sehr solidarisch zueinander.

Bevor also zu viele wertvolle Minuten für das Zeigen irgendwelcher Dramen verschwendet werden, die sich gerade im Leben der Ermittler nach Dienstschluss abspielen, konzentrieren sich Thalbach und Autor Bernd Lange lieber darauf, zu ergründen, welche Auswirkungen ein derartiger Meteoriteneinschlag auf die Reutters und die zwei befreundeten Familien in ihrem immer mehr in Flammen stehenden Paradies hat. Ein Kind, der größte Schatz eines Vaters und einer Mutter, stirbt. "Die ist elf. Die stirbt doch nicht", sagt der Vater (Godehard Giese). Ein Satz, der all die Fassungslosigkeit auf den Punkt bringt. Mit elf stirbt man nämlich nicht. Auch nicht mit zwölf. Doch es passiert zuweilen. Sei es durch eine Krankheit, einen Unfall oder Mord. Auch wenn das keiner von uns je verstehen mag.

Da den Ermittlern ein schneller Fahndungserfolg nicht beschieden ist, treiben Trauer, Sorge um das verschwundene Kind und aufkommendes Misstrauen die bis dato gut befreundeten Ehepaare auseinander. Sie reißen einen immer größer werdenden Graben zwischen den drei Familien auf. Und die Kamera hält weiter voll drauf, während bedrohliche Klänge aus dem Off der allgemeinen Beklemmung zusätzlichen Ausdruck verleihen. Das zerrt an den Nerven. So haben selbst die Kommissare an diesem traurigen, melancholischen Fall zu knabbern, in dem übrigens der gesamte Stab eine respektable Leistung abliefert. Infolgedessen ist Thalbachs Werk ein durchweg guter Premieren-"Tatort" aus dem Schwarzwald, der Lust auf mehr macht. Dann auch gerne mal mit einem Schwarzwald von seiner pittoresken Seite.

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