"Tatort": Viele Tote unter Bremens Sonne

16.5.2016, 21:46 Uhr
Das Ermittlungsteam um Kommissar vom Dienst Joost Brauer (vorne) ist im Zugzwang.

© Radio Bremen und ARD Degeto - Svenja von Schultzendorff Das Ermittlungsteam um Kommissar vom Dienst Joost Brauer (vorne) ist im Zugzwang.

Der Bremer "Tatort greift häufig konfliktbeladene Themen auf. So auch diesmal. Ging es im vergangenen Fall noch um einen verschwundenen Tierschützer, der lautstark gegen den Ausbau eines Offshore-Windparks in der Nordsee protestierte, bekommen es die Ermittler in "Der hundertste Affe" mit einer Bande von fanatischen Umweltschützern zu tun, die beim Versuch Gutes zu tun, genau das Gegenteil bewirken.

Die Idee zum Öko-Thriller kam Autor Christian Jeltsch, als er über die Information stolperte, dass Forscher eines Pharma- und Chemiekonzerns in den 80er Jahren ein Verfahren entwickelt hätten, mit dem das Welthungerproblem gelöst werden könnte. Aus Profitgründen werde diese Lösung jedoch seither unter Verschluss gehalten. Jeltsch nahm diese Meldung zum Anlass für seine Geschichte, in der es um Profit, Vertuschung und die persönliche Definition von Moral geht. Garniert wird "Der hundertste Affe" schließlich mit einem persönlichem Drama.

Allein schon aus dem Umstand, dass sich die gesamte Folge an nur einem Tag vor der Kulisse eines hochsommerlichen Bremens abspielt, bezieht der Thriller eine gewisse Grundspannung. Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) müssen innerhalb von nur wenigen Stunden nicht nur ihren 33. Fall lösen, sondern obendrein eben mal schnell eine Katastrophe verhindern.

Anschlagsszenario in Bremen

Auf den ersten Blick beginnt "Der hundertste Affe" an einem völlig normalen Sonntagmorgen im Leben der beiden Kommissare. Den Ermittlern liegt eine lange Nachtschicht im Kreuz. Eigentlich höchste Zeit für den Feierabend. Doch just in dem Moment, als die Cops sich auf den Nachhauseweg machen wollen, geht ein Erpresservideo ein. Darin fordert eine Gruppe junger Umweltaktivisten die Freilassung von Dr. Urs Render (Manfred Zapatka).

Der Wissenschaftler war jahrelang der Forschungschef des Biotechnologiekonzerns SAX. Render soll seinen ehemaligen Arbeitgeber an den Pranger stellen und einen Skandal öffentlich machen, dem fast sechzig Menschen in Mali zum Opfer gefallen sind. Die Erpresser stellen ein Ultimatum und drohen mit einem Anschlag auf Bremens Wasserversorgung, falls Render sein Schweigen nicht brechen sollte.

In Windeseile richten die Behörden einen Krisentab ein, den Helmut Lorentz (Barnaby Metschurat) leitet. Den knochentrockenen Manager bringt nichts aus der Ruhe, was womöglich hauptsächlich daran liegt, dass er seine Lieblingskaffeesorte schlürfen darf. In Kommissar vom Dienst Joost Brauer (Wilhelm Wölbern) erhält Lorentz tatkräftige Unterstützung. Ungefragt mischt sich die hübsche BKA-Profilerin Linda Selb (Luise Wolfram) in die Ermittlungen ein. Die kluge Expertin der Bundespolizei bevorzugt eine reduzierte Kommunikation mit ihren Mitmenschen. Sie arbeitet gern im Alleingang. Doch Stedefreunds hübscher Hintern ist ihr nicht entgangen.

Temporeicher Krimi

Während Felix Baxmeyers Film zum einen die Ermittlungsarbeit der Behörden begleitet, beleuchtet er ebenfalls die Beweggründe für das Handeln der Erpresser. Der komplexe Thriller zeigt wo und wie ihr Schritt zur Radikalität begonnen hat und welche persönliche Motivation ihrem Tun zugrunde liegt. Mit Hilfe von Rückblenden blickt man tief in die Psyche von Anführerin Luisa (Friederike Becht) und kann die Wandlung zu ihrer heutigen Kompromisslosigkeit ein stückweit verstehen. Zusätzliche Brisanz birgt die Tatsache, dass Luisa Christensen Renders Tochter ist.

Baxmeyer geht über die komplette Distanz ein hohes Tempo. Die Dynamik ist in fast jeder Szene greifbar. Dank schneller Schnitte, hektischer Bilder und Zeitrafferaufnahmen mutiert "Der hundertste Affe" zu einem wirklich sehenswerten Sonntagabendkrimi. Auch wenn nicht jeder Handlungsstrang bis ins letzte Detail zu Ende gedacht worden zu sein scheint und Szenen wie eine vermeintliche Massenpanik vor einer Trinkwasserausgabe mit nur wenigen Statisten wenig glaubhaft wirken, liefert der Krimi durchweg gute Unterhaltung und einen amtlichen Showdown.

Lürsen und Stedefreund agieren in Baxmeyers elfter Regiearbeit für einen Bremer-"Tatort" angenehm zurückhaltend. Das liefert den Raum für das versierte Spiel der Gast-Akteure Matschurat und Selb auf Seiten der Polizei und Friederike Becht als böse Gegenspielerin. Sie verkörpert die zerbrechliche, aber radikale Terroristin, deren Beweggründe, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf ein Verbrechen zu lenken, das bislang weitgehend ignoriert wurde, eigentlich gute sind, mit allergrößter Bravour.

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