Theater im Gärtnerviertel lässt Geierwally kreisen

10.11.2016, 12:15 Uhr
Theater im Gärtnerviertel lässt Geierwally kreisen

© Werner Lorenz

Gutes Betragen wird überbewertet, findet die Tirolerin Walburga Stromminger (Elena Weber). Und Heiraten sowieso – zumindest wenn die Wahl des Bräutigams bei Vater und Tochter nicht deckungsgleich ist. Folgerichtig führt die unglücklich Verliebte ein, gelinde ausgedrückt, unstetes Leben abseits gesellschaftlicher Konventionen. Vom patriarchalen Höchstbauern Stromminger (Stephan Bach) auf einen Alpengletscher verstoßen, gibt sich die "Geierwally" stattdessen ganz ihrem dort gezähmten, gefiederten Freund hin. Selbiger kreist schemenhaft als braunes Tuch über seinen Hort, bestehend aus zwei ineinander verschränkten Leitern. Die Wahl der Requisiten gelingt beim TiG wie gewohnt puristisch gut.

"Schrankenlos war ihr Mut und ihre Kraft" heißt es über die Geierwally in der Romanvorlage von 1873. Beides wird gegen den eigenen Vater wie den Verehrer, Vinzenz Geller (Ursula Gumbsch), eingesetzt und auch der Rest vom Dorf bekommt nach ihrem bestärkenden Exil die Krallen der Geierwally zu spüren, dass die Federn nur so fliegen.

So zumindest wissen es gut aufgelegte Kletterer der Neuzeit im Wirtshaus zu berichten. Ergänzend zur gelesenen Legende geben sie Lieder aus der Alpenregion zum Besten. Gekonnt verweben die drei wandlungsfähigen Darsteller mit ihrem Spiel Rahmen- und Binnenhandlung im gemütlichen Ofenstübla der Brauerei Spezial. Die zweistellige Personenanzahl nötigt dem Zuschauer durch schnelle Wechsel der Sequenzen einiges an Aufmerksamkeit ab. Gut, dass das Ensemble die Tiroler Mundart flüssig adaptiert, um den Legendenstoff phonetisch akkurat zu scheiden.

Emanzipation im Eis

Der Kampf des Menschen gegen die Natur, die äußere wie die innere, beherrscht die 120 Minuten umfassende Inszenierung von Nina Lorenz. Und dennoch wird gerade durch den touristischen Sportsgeist der modernen Alpinisten ein Kontrast klar: Der Berg ist bezwingbar geworden, Geier stehen unter Naturschutz. Damit steht das Theaterstück heute primär als bekanntes Exempel für die Emanzipation: "Und wenn ich den Joseph nicht krieg, will ich, dass alles so bleibt, wies is!", verkündet die energische Wally.

Ab 21. Januar 2017 holt das TiG mit "Weißes Mäuschen warme Pistole" von Olivia Wenzel den brisanten Themenkomplex des "nationalsozialistischen Untergrunds" auf die Bühne im Gärtnerhaus am Landratsamt. Um der Mythenbildung entgegenzuwirken, sucht die Autorin das Trio in seinem Zwickauer Wohnzimmer auf, wo auf der braunen Couch der rechte Terror geplant wird.

Weitere Vorstellungen: 16. | 17. | 18. | 23. | 24. November 2016, 12. | 26. Januar, 9. | 23. Februar, 9. | 10. März und 6. April 2017; Spielort: Brauerei Spezial, Bamberg.

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