Thüringer "Tatort": Trübe Kloßbrühen und böhmische Knödel

26.8.2018, 21:45 Uhr
Thüringer

© MDR/Wiedemann&Berg/Anke Neugebauer

Nach einer kleinen Erfolgsdelle Ende des vergangenen Jahres, als die Geschichte über einen Frauenmörder mit Pudding im Nischel und Stahl in der Hose beim Publikum durchfiel und den Thüringern die bislang mieseste Einschaltquote bescherte, konnte "Der kalte Fritte" nicht nur wieder an vorherige gute Werte anknüpfen, sondern darüber hinaus mit knapp zehn Millionen Zuschauern das zweitbeste Ergebnis überhaupt einfahren. Darin unternahmen Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner) einen Exkurs in die Weimarer Hautevolee, wo ein reicher Kunstmäzen mittels dreier Schüsse in Hirn, Herz und Hoden ins Jenseits befördert wurde.

In "Die robuste Roswita" wenden sich Murmel Clausen und Andreas Pflüger einem ganz anderen Thema zu. In ihrem Skript dreht sich alles um den Kartoffelkloß, einer Thüringer Spezialität. Die Idee zu diesem Plot kam den beiden übrigens wie so oft auf einer ihrer Recherchereisen quer durchs Hinterland. Als sie bei einer Portion Knödel pausierten, fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen: Der Kloß hat das Zeug zu einem "Tatort".

Clausens und Pflügers skurrile Geschichte beginnt mit einem Verkehrsunfall mit anschließender Fahrerflucht. Bei den Recherchen stellen die Ermittler fest, dass der verunglückte Firmenwagen der hiesigen Kloß-Manufaktur eine tödliche Fracht transportierte. Und zwar die granulierten Überreste von Christoph Hassenzahl, dem Geschäftsführer der Knödelfabrik.

Nichts ist klar wie Kloßbrühe

Wie für einen Weimarer „Tatort“ üblich stoßen Lessing und Dorn nun auf schräge Charaktere, die allesamt mit dem Mordopfer in Verbindung standen und daher in den Fokus der Fahndungsarbeit rücken. Da wäre zuallererst Roswita Hassenzahl zu nennen, die von Milena Dreissig – bekannt aus "Stromberg" – verkörpert wird. Sie ist die Witwe des Fabrikanten. Just am Tag seines Todes erscheint die jahrelang vermisst gewesene Frau, die angeblich bei einem Unfall im Hainich ihr Gedächtnis verloren hatte und seither mit Lebensgefährte Schnecke, einem Trickbetrüger und Träumer, die Toiletten an einer Raststätte putzt, plötzlich wieder auf der Bildfläche.

Daneben lernen Lessing und Dorn Marion Kretschmar kennen. Die kühle Einkaufsleiterin einer Supermarkt-Kette hatte erstaunlich großen Einfluss auf das Handeln Hassenzahls und einen Exklusivdeal in der Tasche. Außerdem pflegt sie ein intimes Verhältnis zu Kartoffelbauer Halupczok. Der Schwarzmaler steht vor dem Ruin, nachdem ihm der Kloß-Oligarch aus scheinbar heiterem Himmel den Lieferantenvertrag kündigte.

Dieses schwer zu durchschauende Geflecht aus zwischenmenschlichen und geschäftlichen Verbindungen lässt die Beamten lange Zeit im Dunkeln tappen. Vermutungen, man könnte es gar mit einer Kartoffelmafia zu tun bekommen haben, machen die Runde. Für Dorn augenscheinlich eine Spur zu hoch. "Das sind für mich böhmische Knödel", prasselt es aus ihr heraus. Die Brühe, in der die Polizisten diesmal rühren müssen, ist also ohne Zweifel trüber als die Ilm.

Wenig Spannung aber viel Humor

"Die robuste Roswita" ist mit Sicherheit nicht der beste Weimarer "Tatort". Im direkten Vergleich zu „Der kalte Fritte“ geizt der neue Krimi zudem mit actionreichen Momenten. Insbesondere dann, wenn man sich die im Vorgänger stattgefundenen Szenen zwischen den verfeindeten Brüdern und das explosive Finale zurück ins Gedächtnis ruft, wird klar, wie seicht Richard Hubers Film ist und wie wenig Dramatik er generiert.

Das muss er aber auch nicht zwingend. Schließlich punkten Huber und sein Stab auf anderem Terrain. Über Gebühr gelungen ist beispielsweise die Bildästhetik, für die Robert Berghoff verantwortlich zeichnet. Bereits in der Eingangssequenz wird das sichtbar. Zu sehen sind Bilder, die den Weg von der Kartoffel bis zum fertigen Kloß begleiten. Ihnen sind per Gegenmontage kleine Augenblicke aus den Geschichten der Figuren gegenübergestellt. Berghoff hat recht, wenn er diesen Prolog als einen Teaser bezeichnet, der "eine Lunte für den Zuschauer in das Geschehen legen soll".

Die Kirschen auf der Torte sind jedoch die auf den Punkt gebrachten Dialoge, die vor subtilem Witz nur so strotzen. So ganz beiläufig streuen Clausen und Pflüger im Zuge dessen ein paar Ratschläge zur Pinkeltechnik sowie Weisheiten der Kategorie Kalenderspruch ein. Des Weiteren klären sie auf, welch heilsame Kräfte eine Tasse frische trübe Kloßbrühe entfaltet. Den Rest besorgt das starke Ensemble, das Clausens und Pflügers Gedanken aussprechen darf und sich dabei die Bälle blind zuzuspielen scheint. Das Resultat ist Unterhaltung par excellence und so ganz nebenbei der Beweis, dass das Duo Lessing/Dorn noch lange nicht abgewirtschaftet hat.

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