Tilman Lichdi verlässt das Nürnberger Staatstheater

28.2.2013, 21:00 Uhr
Tilman Lichdi verlässt das Nürnberger Staatstheater

© André de Geare

Nürnbergs führender lyrischer Tenor wagt sich aus dem Fest-Engagement hinaus auf den freien Opernmarkt. Was gut vorbereitet sein will: Einen ganzen Tag hatte er jetzt den Neumarkter Reitstadel gemietet, um Techniken zu testen, wie seine Stimme auf CD, auf der Homepage oder bei Youtube möglichst natürlich klingt. Da probierte er „Dalla sua pace“ aus „Don Giovanni“ und zwei Schubert-Lieder aus: „Es geht darum, einen Aufnahmeklang zu kreieren.“ Und zu einer modernen Sänger-Bewerbungsmappe gehört dann auch noch eine DVD, für die sogar das Interview mitgeschnitten wird. Dass das Ganze dann in eine Lichdi-CD münden soll, ist vorauszusehen: Schumanns „Dichterliebe“ kommt noch dazu.

Für den 39-jährigen Startenor, ursprünglich aus Heilbronn, stark immer noch im Badischen und der großen Familie verwurzelt, haben die acht Jahre Staatstheater-Engagement viele Vorteile und 2012 den „Bayerischen Kunstförderpreis“ gebracht: „Ich konnte den Opernbetrieb kennenlernen, Praxis erwerben, mich ausprobieren und man ist geborgener als auf dem Freien Markt.“ Rollen gab es für Lichdi genug am Richard-Wagner-Platz: bei Lehár, Bellini, Rossini oder Donizetti war er ein romantischer „tenore di grazia“. Alle wichtigen Mozart-Partien hat er unter dem ehemaligen GMD Christof Prick gesungen (ein paar fehlen noch) und auch schon Erfahrungen mit Wagner gesammelt: als „Holländer“-Steuermann oder zurecht mit Beifall überschüttet als David in den „Meistersingern“.

Da hat Lichdi über das Wagner-Jahr hinaus Blut geleckt. „Die leichteren Wagner-Partien würden mich interessieren“ – aber gibt’s die eigentlich? – und darauf kommt Tilman Lichdi immer wieder zurück: Er will in seinem bis 2015 schon gut gefüllten Terminkalender mehr Zeit haben für Konzert, Oratorium und Lied. Damit war er in den USA oder Japan schon auf Tournee, dort hat er auch mit dem Dirigenten zusammen gearbeitet, der ihn neben Thomas Hengelbrock zuletzt am nachdrücklichsten beeindruckt und beeinflusst hat: Ton Koopman. Der hat ihm Bach noch näher gebracht und die Türen zu wichtigen Engagements geöffnet: im Juni etwa bei den Münchner Philharmonikern im Gasteig und mit der „Johannes-Passion“.

Da kann sich Lichdi dann ganz auf die musikalische Darstellung konzentrieren. Denn den Don Ottavio in Schmiedleitners Nürnberger „Don Giovanni“-Inszenierung fand er zwar interessant zwischen den Spiegelwänden und der ständigen Frage, wohin sich die Personen entwickeln werden: „Als Ottavio will ich ausprobieren, wie ich Donna Anna vielleicht doch kriegen kann – nachdem es wieder nicht klappt, gehe ich!“

Aber eigentlich mag er auch konventionelle Aufführungen, in denen die Musik mehr im Mittelpunkt steht: „Ich bin mit Mozart und Bach sehr glücklich“ – Testläufe in der neuen (etwa in Henzes „Boulevard Solitude“) und ganz neuen Musik (Biennale München, vielleicht mal der Alwa in Bergs „Lulu“) inklusive. 

Von der Trompete zum Gesang

Gut zwanzig Jahre ist das jetzt her, dass Lichdi von der Trompete zum Gesang umgeschwenkt ist, damit vom Studienort Mannheim nach Würzburg. Heute bespricht er die vielen auswärtigen Auftritte mit seiner Frau, damit die drei Kinder nicht ohne Vater aufwachsen (13, 11, 6); immerhin haben zumindest die Mädchen offenbar musikalisches Talent geerbt.

Was jemand, der immer so schöne Musik möglichst schön singt, sonst in seinem Leben „schön“ findet? Ja, er habe ein „klares Gefühl für Dinge, die mir gefallen“. Aber dann fällt dem begeisterten Vater und Jogger am Alten Kanal doch nur ein „guter Rotwein“ ein, „nicht unbedingt schwer und natürlich in sehr disziplinierten Maßen.“

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