Unausweichlicher Weg in die Katastrophe

18.3.2017, 16:34 Uhr
Unausweichlicher Weg in die Katastrophe

© Hans-Joachim Winckler

Kaum drei Minuten dauert es, dann ist klar: Für die Figuren dieser Schauspiel-Anordnung heißt die letzte Ausfahrt Desaster. Der amerikanische Dramatiker Arthur Miller hat der Psychoanalyse, die aus dem Land seiner Vorfahren kam, stimmig wie kaum ein anderer in seiner Arbeit einen Boden bereitet. Fein gewoben ist denn auch das Beziehungsgespinst in seinem Stück "Ein Blick von der Brücke", das 1955 uraufgeführt wurde und nun in einer ausgezeichneten neuen Übersetzung vorliegt.

Als seien sie in einer Petrischale zum Versuch zusammengebracht, erscheinen die fünf Einwanderer mit und ohne Pass, deren Schicksale miteinander kollidieren. Da ist Eddie (Hartmut Volle), ein Arbeiter, dessen Ehe mit Beatrice (Sabine Werner) kinderlos blieb. Die beiden haben seine Nichte Catherine (Sara Tamburini) großgezogen. Sie ist 17, und Eddies Liebe zu ihr geht weit über die Gefühle eines Onkels hinaus. Als Marco (Sebastian König) und Rodolpho (Matthias Kelle), illegal ins Land gekommene Cousins, von der Familie aufgenommen werden, implodieren die Emotionen und das fragile Gleichgewicht kippt.

Es ist ein fürchterliches Gebräu, das hier angesetzt wurde. Not und Überlebenskampf, Eifersucht und Ehre, Angst, Verzweiflung und obendrein noch ein Anfall von Homophobie vergiften, was von den Akteuren irgendwann aus noblen Gründen begonnen wurde.

Regisseurin Petra Wüllenweber verschiebt den Fokus allerdings ein Stück weit von diesen Motiven und rückt die zweifellos präsente Flüchtlingsthematik verstärkt in den Mittelpunkt. Ein Ansatz, der ganz fraglos von größter Brisanz und Berechtigung ist, und doch in diesem Spiel nicht wirklich funktionieren will. Flucht und Integration sind bei Miller sehr wohl elementarer Hintergrund, nicht aber Anlass und Auslöser für die menschliche Katastrophe, die sich anbahnt. Darunter leidet die Feinzeichnung der Beziehungen und der Figuren, die in ihren Rollen beinahe archetypisch scheinen.

Hartmut Volle (bekannt als Pathologe aus dem "Tatort" Saarbrücken) etwa zeichnet mit großem Krafteinsatz den traditionellen Patriarchen. Auf eine bewundernswert zurückhaltende, konzentrierte Art, hinter der ein Kosmos von Gefühlen zu lauern scheint, agiert Sebastian König. Vor einem Jahr war er in Fürth in Petra Wüllenwebers viel beachteter Inszenierung von Camus’ "Caligula" zu sehen.

Ein wesentlicher Part kommt diesmal auch Franz Watzke zu, der als eine Art Kommentator auftritt und seine Aufgabe auf eine bemerkenswerte Art löst. Grau, schmal und unauffällig wird er zu jener dubiosen Stimme der Vernunft, die doch nie gehört wird.

Gespielt wird auf einer kargen Bühne (Ausstattung: Matthias Werner). Ein Gehäuse, einem Container gleich, dient als Behausung. Das funktioniert ganz hervorragend, nicht zuletzt dank des klug eingesetzten Lichts.

Hundert Minuten lang wird pausenlos durchgespielt und obwohl das Ende so voraussehbar ist, wird die Spannung ständig weitergetrieben. Ein Atemholen gewähren die Szenen, in denen Musik (Bettina Ostermeier) ins Spiel kommt, gesungen und getanzt wird. Das sind emotionale Höhepunkte der Inszenierung, in denen alles zusammenläuft, jede Nuance offenkundig wird. Für einen Augenblick leuchtet dann die Möglichkeit auf, dass das Leben ein anderes sein könnte . . . doch der Moment vergeht.

Nächste Aufführungen: 18., 19. und 23. bis 26. März; Karten-Tel.: 09 11/ 9 74 24 00.

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