"Vielleicht lieber morgen": Glückliche Außenseiter

1.11.2012, 12:00 Uhr

Man kann sich das kaum mehr vorstellen: Der schüchterne Charlie (Logan Lerman) setzt sich nach der Schule hin und verfasst traurige Briefe an einen imaginären Freund. Mit Kuli auf Papier! Nix Blog & dergleichen. Dafür aber auch kein Mobbing im Internet, sondern das gute alte Schubsen und Beinstellen der Neandertaler aus der Footballmannschaft.

Denn Chboskys nach seinem Briefroman verfilmte Schulerinnerungen und -klischees stammen, nach Soundtrack und Ausstattung zu urteilen, aus den 80ern, wo man es offenbar schon durch den Besitz eines Taschenbuches zum bespuckten Intellektuellen schaffen konnte. In Sam (Emma Watson aus „Harry Potter“) und Patrick (Ezra Miller aus „We need to talk about Kevin“) trifft Charlie auf verwandte Seelen und schon etwas ältere, durchtrainierte Außenseiter, die ihm das Überleben unter mentalen Fleischerhunden vormachen.

Auch für die weniger platten Exemplare des vorliegenden Genres gilt allerdings, dass der sensible Held wenigstens einmal ordentlich hinhauen muss. Charlie vollbringt diese selbstlose Gewalttat zugunsten seines schwulen Freundes Patrick und im Zustand des Blackouts, verursacht durch frühkindliches sexuelles Missbrauchtwerden. Auf die Idee kommt ein Autor heute auch nur noch selten. (USA, 102 Min.; Cinecittà, Nürnberg)
 

Keine Kommentare