Wagner muss man gut dosieren

2.6.2013, 17:00 Uhr
Wagner muss man gut dosieren

© Ludwig Olah

Herr Jentjens, Sie haben in Nürnberg eine Reihe wichtiger Wagner-Partien wie den Daland im „Fliegenden Holländer“, Veit Pogner und Hans Sachs in den „Meistersingern“, aber auch König Marke im „Tristan“ gegeben. Oft hört man, zu viel Wagner ruiniere die Stimme...

Guido Jentjens: Es ist völlig richtig: Mit Wagner sollte man nicht zu früh anfangen, vor allem nicht mit den Leading-Parts. Jetzt, wo ich über 25 Jahre Bühnenerfahrung verfüge, merke ich, wie wichtig es ist, sich nicht verheizen zu lassen. Dann fehlen einem nämlich etliche Jahre am Ende einer Karriere. Ich habe zu viele Kollegen erlebt, bei denen die Laufbahn nur zehn Jahre währte. Wagner-Gesang hat sehr viel mit vokaler Ökonomie und Erfahrung zu tun. Deswegen habe ich mich auch nie gescheut, nur die kleinen Meister in den „Meistersingern“ zu singen, um zu erfahren, wie reifere Kollegen einen Sachs oder Beckmesser anlegen.

Mit einer Wagner-Rolle geben Sie in der kommenden Woche auch Ihren Einstand im Film...

Jentjens: Ja, ich werde als Gurnemanz im „Parsifal“ zu sehen sein. Wir drehen im Münchner Prinzregententheater. Die Produktion heißt „Der Wagner-Clan“ und darin spielt Iris Berben die Cosima Wagner. Darauf bin ich natürlich sehr gespannt.

Vor Jahren fragte ich Sie einmal nach Wünschen, die sich in Ihrer Karriere noch erfüllen sollten. Wotan, der Weltenlenker im „Ring des Nibelungen“, war auch dabei...

Jentjens: Von diesem Traum habe ich mich mittlerweile endgültig verabschiedet. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, relativ spontan in Detmold als Wotan einzuspringen, da ich diese Partie ja schon lange studiert habe und das Theater froh war über schnellen Ersatz. Im Praxistest hat sich dieser Langstreckenlauf als heikel erwiesen. Das war für mich die Initialprobe, es schweren Herzens ganz sein zu lassen. Außerdem glaube ich, dass Intendanten den Wotan auch eher mit hünenhaften Darstellern besetzen. Da kann ich mit meiner Physis nicht mithalten (lacht).

Das ist ein gutes Stichwort. Wagner zu singen, ist Hochleistungssport. Ist das jedem Regisseur bewusst?

Jentjens: Manchmal muss man Regisseuren schon klarmachen, dass die Rollen nicht für Flic-Flac-Akrobaten konzipiert sind. Wir sollen krabbeln, an Wänden hochhechten oder uns am Boden kugeln. Jeder Stimmexperte wird bestätigen, dass das nicht gerade die optimalsten Gesangshaltungen sind. Es ist bei der Regie wie bei uns Sängern: Nur die absolute Kenntnis der Stücke macht den Meister. Ich lerne deshalb die Partien meiner Mitspieler mit. Überhaupt geht vieles auf der Bühne nur über learning by doing.

Der Weg in die Freiberuflichkeit ist ein gewagter Schritt. Sind Sie nach 25 Jahren im Ensemble der „Mühle“ des Repertoirebetriebs müde?

Jentjens: Natürlich habe ich lange mit mir gerungen und konnte mir auch nicht sicher sein, dass genügend Engagements auf mich warten. Aber mittlerweile lässt es sich sehr gut an. Auch wenn mich jetzt Harry Kupfer als Veit Pogner nach Zürich holt: Ich werde sehr darauf achten, nicht nur auf das Wagner-Fach festgelegt zu werden, denn Mozart und vor allem Verdi sind mir genauso wichtig. Ich würde so gerne einmal wieder den König Philipp in „Don Carlo“ machen.

 

Keine Kommentare