Was der Malerfürst aus dem Dachfenster erspähte

31.5.2010, 00:00 Uhr
Was der Malerfürst aus dem Dachfenster erspähte

© Repro: NN

Gut eine Stunde war Albrecht Dürer im Jahr 1510 wohl mit dem Pferdegespann unterwegs, um den Nürnberger Ratsherrn Martin Geuder in Heroldsberg zu besuchen. Fest steht, dass der Maler hier im sogenannten Roten Schloss logierte, das Geuder 1489 hatte errichten lassen und das noch heute im Besitz von dessen Nachkommen ist.

Älteste Anischt von Heroldsberg

Der Meister griff zur Feder und zeichnete den Blick, der sich von seinem Dachfenster auf Heroldsberg bot. Er schuf mit dieser Tuschzeichnung die älteste bildliche Darstellung des Ortes.

Aufbewahrt wird das gute Stück seit 1883 im Süden Frankreichs, im Musee Bonnat in Bayonne. Ein entlegener Ort und eine unbekannte Sammlung also. »Selbst Forscher, die sich Zeit ihres Lebens dem Werk Dürers gewidmet haben, kennen die Zeichnung oft nur von Abbildungen«, stellt Restaurator Eike Oellermann fest, der die kleine Schau im Weißen Schloss mit eingerichtet hat.

Schwager von Willibald Pirckheimer

Rund um dieses Dürersche »Kirchdorf«, das allerdings nur als Faksimile zu sehen ist, hat Kuratorin Birgit Rauschert eine hübsche Mini-Ausstellung gruppiert. Sie befasst sich mit dem Roten Schloss und natürlich mit seinem Gastgeber Martin Geuder (1455-1532), dem Schwager von Willibald Pirckheimer. Geuder hat in Heroldsberg neben dem Roten und Weißen Schloss auch noch das Grüne und Gelbe Schloss errichten lassen. Eine Tatsache, auf die Nachfahr Eberhard Brunel-Geuder noch heute stolz ist: »Ich kenne keinen Ort von dieser Größe, der vier mittelalterliche Schlösser hat«, sagt er auch als 2. Bürgermeister der 8000-Einwohner-Gemeinde.

Hier hängt, so weiß Geuder, in vielen Wohnzimmern das Dürer-Motiv, jedoch nicht in der Originalversion, sondern als vergrößerte Kopie, die der langjährige Nürnberger Kunstakademie-Professor Fritz Griebel 1937 als Lithografie schuf. Und auch auf Sektetiketten, Wandtellern und Bierkrügen, auf Postkarten und Sonderstempeln findet sich das Dürersche Idyll mit dem markanten Gotteshaus.

Riemenschneider-Kruzifixus

Direkt neben St. Matthäus, das mit einem Riemenschneider-Kruzifix aufwarten kann, steht heute das reichlich heruntergekomme Weiße Schloss. Die Familie Geuder hatte es 1928 an die Gemeinde verkauft, die es bis 2005 als Rathaus nutzte. Seither steht der Bau leer. Wenn es nach dem Heroldsberger Kulturverein geht, soll hier ein Museum eingerichtet werden. »Wir könnten es locker zwei- bis dreimal im Jahr neu bespielen«, sagt Eberhard Brunel-Geuder in seiner Funktion als erster Vorsitzender des Vereins.

Auf 4500 Exponate schätzt er den Fundus, der dafür aus Beständen der Patrizierfamilie Geuder, der Sammlung des Kulturvereins und dem Nachlass des in Heroldsberg aufgewachsenen Fritz Griebels zur Verfügung stehen würde. Außerdem sollen hier Kurse der Musikschule und der Volkshochschule und Trauungen stattfinden.

Kosten von 2,3 Millionen Euro

Große Ziele. Knackpunkt sind natürlich die Finanzen: Rund 2,3 Millionen Euro würde es nach aktuellen Berechnungen kosten, das Weiße Schloss für Ausstellungen auf Vordermann zu bringen. Abzüglich staatlicher Förderungen blieben für die Gemeinde rund 1,3 Millionen Euro. »Darüber«, so der Vereinsvorsitzende, »wird derzeit kontrovers diskutiert«.

Heroldsberg, Weißes Schloss, Kirchenweg 4: »Albrecht Dürers Kirchdorf«. Bis 18. Juni, Mi-Fr 14-18 Uhr, Führungen Sa/So 11 Uhr. Begleitbuch 7,50 Euro.