Wer räumt die Christbaumkugel weg?

27.12.2015, 18:13 Uhr
Wer räumt die Christbaumkugel weg?

Im Zentrum des Vormittags standen die Lesungen von Thuns, der im tannengrünen Samtjackett im rotsamtenen Ohrensessel Platz nahm und wie der nette Herr von nebenan die sehr gut ausgewählten Geschichten zum Besten gab. In ihnen geht es um den misslungenen Versuch der Eltern, die ihre drei Töchter zu Weihnachten mit potenziellen Ehemännern beglücken wollen, um Nachbarn, die „Katzenmusik“ nicht von Beethoven unterscheiden können, und um solche, die bei der Weihnachtsdekoration so lange wettrüsten, bis ein Flakscheinwerfer die Sicherungen durchbrennen lässt. Aber auch um eine Christbaumkugel, die keiner wegräumt, weil das „Partnerschaftspassiv“ in einer Beziehung eine klare Aufgabenverteilung erschwert.

Man muss von Thun einfach zuhören. Er liest deutlich, moduliert mit der Stimme, setzt die nötigen Pausen und gestaltet humorvolle Passagen witzig, so dass ihm die Lacher sicher sind. Besonders bei seiner Zugabe, einem Text über Jesu Geburt im Stile eines Zeitungsberichts von 2015, bleibt kein Auge trocken. Als kleinen Makel bei den Lesungen konnte man die Tontechnik empfinden, da man in den vorderen Saalreihen das gerade Gesprochene von hinten nochmals leicht zeitverzögert hörte.

Eingerahmt wurden die literarischen Rezitationen jeweils durch Musikstücke, dargeboten von den Nürnberger Symphonikern unter der Leitung des britischen Dirigenten Russell Harris, derzeit Chefdirigent des Xi’an Sinfonieorchesters in China. Waren die Musiker im ersten Teil noch nicht ganz sauber zusammen, so steigerten sie sich nach der Pause gewaltig. Besonders die Schlittenfahrt (Sleigh Ride), ein sehr bekanntes Stück des eher unbekannten Komponisten Leroy Anderson, gelang vorzüglich.

Den Höhepunkt der musikalischen Darbietung stellten freilich die Klavierwerke mit dem beeindruckenden Spiel Rubinovas dar. Die deutsche Pianistin aus Usbekistan gestaltet nuanciert, in allen Schattierungen von feinfühlig bis kraftvoll, und mit schön perlendem Anschlag. Bei Frédéric Chopins Variationen über „La ci darem la mano“ aus Mozarts „Don Giovanni“ konnten die Symphoniker da an Spritzigkeit nicht mithalten. Bei Richard Stewart Addinsells Warschauer Konzert für Klavier und Orchester, ursprünglich Filmmusik von 1941, deren Melodien wohlbekannt sind, hatten sie deutlich an Schwung gewonnen und unterstützten souverän Rubinovas inspirierendes Spiel. Ein sehr kurzweiliger Vormittag, der für Weihnachtsstimmung jenseits abgedroschener Floskeln sorgte.

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