Westernhagens bizarrer Tourauftakt

9.10.2015, 12:00 Uhr

„Folge mir, ich bin ein Alphatier“ dröhnt es rockig aus den Boxen, als Marius Müller Westernhagen leichtfüßig tänzelnd über die große Bühne fegt. Es bedarf keiner Ansprache, als der Altrocker vor rund 9000 Fans an diesem Abend sein „Revier“ zurückerobert. Dabei ist er von Anfang an ganz er selbst: laut, rau und vor allem – authentisch. Seine Fans lieben ihn dafür.

Was folgt, ist ein musikalischer Rundumschlag, eine Reise vom rotzigen Rock in dunklen, luftarmen Kellerräumen, bis hin zur nahezu geläuterten Gegenwart. Viel geredet wird dabei nicht. Westernhagen präsentiert sich während des gesamten Auftrittes ungewöhnlich wortkarg, fast so, als wolle er nur noch seine Songs für sich sprechen lassen. So stampft, rockt und röhrt er sich rund eineinhalb Stunden über die Bühne, während er zwischen alten Klassikern wie „Sexy“ und „Willenlos“ und Liedern von neuen Alben wie „Alphatier“ und „Williamsburg“ variiert.

Gefüllte Hallen

Westernhagen beweist bei seinem Tourauftakt in Hamburg, dass er auch nach seiner 40 Jahre währenden Karriere noch dazu im Stande ist, auch große Hallen zu füllen. Er spielt hier jedoch nicht, wie noch im Frühjahr vergangenen Jahres, eine intime Clubtour, bei der sich Künstler und Fan schon aufgrund der kleineren Räumlichkeiten automatisch sehr nahe zu sein scheinen. Und genau da scheint an diesem Abend in der großen Arena das Problem zu liegen.

Denn auch wenn Westernhagen ganz klar ein Bühnenprofi ist, schafft er es nicht, die Distanz zwischen ihm und dem Publikum zu überwinden und eine emotionale Nähe aufzubauen. Das liegt unter anderem daran, dass gerade neuere Songs bei den Fans nur selten die von Westernhagen gewünschte Wirkung erzielen. Lediglich bei den wirklichen Klassikern durchfahren den Saal immer wieder Wogen der Begeisterung, dann wird geklatscht, getanzt und schief mitgesungen. Nur dann bebt der Saal tatsächlich bis hoch in die obersten Ränge. Fast wie ein Bild aus alten Tagen.

Ratlose Fans

Wirklich ausschlaggebend für temporäre Stimmungsflauten im Publikum ist jedoch weniger das, was auf der Bühne stattfindet, sondern viel mehr das, was sich hinter dem Künstler Westernhagen auf riesigen Videoleinwänden abspielt.

Die Aufnahmen, die die Fans hier zu sehen bekommen, lassen nicht wenige von ihnen verstört und ratlos zurück. Videos, die vor allem Westernhagens neuere Songs untermalen, zeigen teils grausame Bilder: vom Genozid, von Menschengebeinen, Wilderei und abgeschlagenen Köpfen. Die Aufnahmen drücken sichtlich die Stimmung und behängen den Saal temporär mit einer gewissen Schwere. Parallel dazu besingt Westernhagen frenetisch Demokratie, Freiheit und Gleichheit für alle Menschen und Rassen. Er scheint eine Botschaft zu haben, einen gesellschaftlichen Appell – der allerdings in diesem Moment seine Wirkung völlig verfehlt.

Weitere Tourtermine: 10. 10.: Hannover, 11. 10.: Halle, 14. 10.: Köln, 16. 10.: Mannheim, 17. 10.: Zürich, 20. 10.: Wien, 22. 10.: Dresden, 24. 10.: Berlin.

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