Leere Briefkästen im Landkreis

28.6.2015, 06:00 Uhr
Leere Briefkästen im Landkreis

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Peter Ziebell ist sauer. Denn den Weg zu seinem Briefkasten kann sich der Cadolzburger eigentlich sparen. 19 Tage zählt er bereits ohne Päckchen und ohne Briefe. Normalerweise bekämen seine Frau und er pro Tag sechs bis sieben Sendungen, und dabei lässt er die Werbung außen vor. Dass unter anderem die abonnierte Fernsehzeitung ausbleibt, könnte das Ehepaar noch verschmerzen, anders sieht das bei wichtigen Unterlagen aus. Man warte beispielsweise auf den Befund eines Krankenhauses in Norddeutschland oder eine Rückerstattung der privaten Krankenkasse im fünfstelligen Bereich, sagt Ziebell, den besonders ärgert, dass „der Öffentlichkeit eine Notversorgung vorgegaukelt wird, die es so nicht gibt“. Ein Postauto habe er im Wohngebiet Gierersberg schon lange nicht mehr fahren sehen. Aus Gesprächen mit Nachbarn weiß er, auch dort bleiben die Briefkästen leer.

Nicht anders geht es Axel Bienefeld in Obermichelbach. Nach zwei Wochen hat es am Dienstag zwar zumindest mit der Paketzustellung wieder geklappt, doch bei den Briefen: Fehlanzeige. Bienefeld wartet als Pendler auf die neue Wertmarke für sein Umwelt-Jahresabo, das zum 30. Juni abläuft. Ab 1. Juli muss die Marke im Verbundpass kleben, sonst fährt der Obermichelbacher „schwarz“. Ein Problem, mit dem Bienefeld nicht allein dasteht, wie er auch aus Kollegenkreisen hört. Kunden sollten ihren Verbundpass mit der alten Marke vorzeigen, rät Elisabeth Seitzinger von der VAG-Pressestelle auf FLN-Anfrage. Außerdem seien die Kontrolleure „für das Problem sensibilisiert“. Betroffen sind rund 3500 Kunden. Deren Wertmarken hat die VAG am 18. Juni verschickt, vier Tage früher als sonst. Insgesamt gehen jährlich 60 000 solcher Sendungen auf den Postweg.

Die fehlende neue Wertmarke werden auch die Zugbegleiter der Deutschen Bahn nicht beanstanden, wenn Kunden den Verbundpass vorzeigten, sagt ein Bahnsprecher. Diese Kulanzregel gelte vom 1. bis 15. Juli und werde eventuell zeitlich verlängert.

Auf der Homepage der Post können Bürger unter dem Stichwort „Aktuelle Streikinformationen“ mit der Postleitzahl prüfen, inwieweit ihre Gemeinde betroffen ist. Wer dies jedoch für die 14 Landkreiskommunen tut, erhält immer nur die gleiche Meldung: „Es sind Hinweise auf Beeinträchtigungen am Empfangsort bekannt, so dass es vermutlich zu Verzögerungen bei der Auslieferung Ihrer Sendung kommen wird. Allerdings kann es sein, dass Ihre Sendung bereits bei der Einlieferung/beim Versand durch Streikmaßnahmen verzögert bearbeitet wurde. Um dies überprüfen zu können, geben Sie bitte hierzu (wenn vorhanden) die Postleitzahl des Absenders bzw. des Versandortes ein.“

Permanente Veränderungen

Dass es sich dabei um eine sehr allgemein gehaltene Formulierung handelt, räumt Erwin Nier, Sprecher der Deutschen Post AG, unumwunden ein. Freilich sei es angesichts der Vielzahl der Kommunen kaum möglich, anders zu agieren, sagt er. Die Gewerkschaft teile nur ganz kurzfristig mit, welcher Bereich bestreikt werde. Die Situation könne sich permanent ändern. Zudem liegt es keineswegs immer am Postboten, wenn Schreiben und Pakete ausbleiben.

Die Kette, die Nier beschreibt, ist lang: Wird etwa in Berlin ein Brief versandt, der einen Adressaten in Wilhermsdorf, Ammerndorf oder Stein erreichen soll, kann dieser bereits im nicht geleerten Postkasten oder im vom Arbeitskampf blockierten Briefzentrum in Berlin-Mitte stranden. Liegt das Kuvert dann in Kisten gestapelt im Lkw, streiken eventuell die Fahrer. Wenn die Sendung endlich im Briefzentrum in Nürnberg-Langwasser eintrifft, wo auch die Post für den gesamten Landkreis sortiert und verteilt wird, könnten sowohl die Beschäftigten der Eingangs- aber auch der Abgangsschicht im Ausstand sein. Und wenn die Post schließlich vor Ort im sogenannten „Zustellungsstützpunkt“ ankommt, sollten die Briefträger nicht im Ausstand sein.

Sobald die Post wisse, wo gestreikt werde, versuche man „Abrufkräfte“ einzusetzen, erläutert Nier, aber das dürfe nicht im Verhältnis 1:1 geschehen. Entscheidend ist auch, wo wie viele Beamte, die nicht streikberechtigt sind, Dienst tun. In Ballungszentren habe es schon die kuriose Situation gegeben, dass in einzelnen Straßenzügen, auf der Seite mit den geraden Hausnummern die Post ganz normal zugestellt worden sei, auf der gegenüberliegenden Seite mit den ungeraden Nummern dagegen nicht.

Betroffen sind auch Firmen und Kommunen. Im Oberasbacher Rathaus liefen neulich an einem Tag gerade einmal fünf Briefe ein, normalerweise sind es ungefähr 50. Trotzdem: „Es könnte schlimmer sein“, meint Katja Haumer, die bei der Stadt für den Posteingang zuständig ist. Denn es gebe auch Tage, an denen dann wieder eine größere Menge eintreffe. „Fast nichts spürbar“ lautet dagegen die Auskunft aus dem Zirndorfer Rathaus. „Mal mehr, mal weniger“ Sendungen holen die Amtsboten aus dem Schließfach.

Bei Faber-Castell in Stein kommen laut Auskunft der Pressestelle gerade einmal 50 Prozent der normalen Post-Menge an. Größere Probleme resultieren für den Betrieb daraus derzeit aber noch nicht, denn „zur Not gibt es noch Lösungen über Fax und E-Mail“.

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