Luther in der Malerei: Zwischen Propaganda und Realität

18.1.2018, 16:19 Uhr
Daniel Hess ist Vorsitzender der Forschungskommission am Germanischen Nationalmuseum.

Daniel Hess ist Vorsitzender der Forschungskommission am Germanischen Nationalmuseum.

Waren Bilder vor dem Zeitalter der Digitalfotografie authentischer und glaubhafter? Dieser Frage geht Daniel Hess vom Germanischen Nationalmuseum am Donnerstag, 18. Januar, um 19 Uhr in seinem Vortrag "Alles Fake?! - Das Bildnis Martin Luthers" auf den Grund. Organisiert hat den Abend im Selneckerhaus der Kirchbauverein der Stadtkirche. Wir haben Hess vorab einige Fragen gestellt.

Mit dem Reformationsjubiläum stand Martin Luther rund ein Jahr im Fokus. Wen haben wir denn da eigentlich gefeiert?

Daniel Hess: Das ist eine gute Frage. Wahrscheinlich jemanden, den wir gar nicht kennen. Luther ist mit Sicherheit der bedeutendste Heilige der Protestanten, doch bislang hat sich die Kirche mit der Erforschung schwer getan. Interessant ist, dass Luthers Schriften bis ins letzte Detail erforscht sind, die Bildnisse bislang jedoch kaum. Und bis Napoleon ist er der Mann, von dem es die meisten Abbildungen gibt.

Welcher Frage gehen Sie in ihrem Vortrag nach?

Hess: Der, welche von den vielen Lutherbildnissen, die uns geläufig sind, tatsächlich ein authentisches Bild des Reformators vermitteln. Denn zur Verbreitung seiner Schriften hatte der Reformator geschickt das neue Medium des Buchdrucks genutzt. Die Massenmedien von Holzschnitt und Kupferstich boten sich auch bei Bildern von ihm an. Zur gezielten Bildpropaganda Luthers wurden aber auch die Malereien genutzt, die die Cranach-Werkstatt damals in Serie produzierte. Cranachs älterer Sohn Hans soll Hunderte solcher Bildnisse gemalt haben.

Was wissen wir dann überhaupt von der Erscheinung Luthers?

Hess: Das ist das Ernüchternde: Nichts. Aber es bleiben viele spannende Fragen wie, ob es tatsächlich eine Sitzung von Luther und Cranach gab; was ein Porträt im 16. Jahrhundert generell zeigen und ausdrücken möchte oder welche Wirkung Bilder auf uns und die Geschichtsschreibung haben.

Da ergeben sich sicher noch weitere Fragestellungen, die mit der Kirchenspaltung an sich zusammenhängen.

Hess: Genau. Ist die Reformation letztlich am Lutherbild gescheitert, indem sie zwar das Bildnis ihres Helden massenmedial und propagandistisch verbreitete, aber letztlich den Bild-Kult um Luther nicht verhindern konnte? Wie sind unbrennbare oder blutende Lutherbildnisse und der nach dem Tod einsetzende Reliquienkult zu verstehen? Welchen Einfluss hatten sie auf unser Lutherbild? Deckt sich unser Lutherbild mit dem Bildverständnis des 16. Jahrhunderts? Da bleibt noch viel Spannendes zu erforschen...

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