Milchpreis auch im Landkreis unter Druck

14.6.2015, 06:00 Uhr
Milchpreis auch im Landkreis unter Druck

© Foto: Mark Johnston

Die Psychologie: Nicht nur auf dem Aktienmarkt spielt die Psychologie eine Rolle, sondern auch am Milchmarkt. Helmut Wolf, Geschäftsführer des Bauernverbandes, erklärt, was bei der Preisgestaltung außer Fakten noch so alles mitschwingt. Bis März 2015 regelte eine Quote genau, welche Mengen Milch Landwirte auf den Markt bringen durften. Sie gibt es nicht mehr, die Idee dabei war, den Landwirten mehr unternehmerische Freiheit zu gewähren.

„Handel und Molkereien spielen nun aber mit den Ängsten vor den großen Milchmengen, die auf den Preis drücken könnten. Zwar ist gar nicht mehr Milch auf dem Markt, aber die Drohung allein genügt schon.“ Lag der durchschnittliche Preis in Bayern noch zu Anfang des Jahres bei 35/36 Cent pro Liter, ist er nach der Aufgabe der Quote stetig auf inzwischen 30 Cent gefallen. Das bedeutet ein fast 20 Prozent geringeres Einkommen bei gleicher Arbeit und gleichen Kosten.

Das Embargo: Horst Krehn, Leiter des Amtes für Landwirtschaft und Forsten in Fürth, nennt als Hauptgrund dafür, dass der Milchpreis tendenziell nach unten zeigt, den Zusammenbruch des russischen Marktes. Seit dem Embargo der EU wird dorthin keine Milch mehr geliefert. Noch könne man nicht von einer Krise sprechen, aber es sei ein schleichender Verfall, so Krehn.

Er erinnert aber auch daran, dass die Milchviehhalter in den Vorjahren aufgrund der hohen Nachfrage aus China und Russland gut verdienten. „Eine gewisse Zeit könnten die Betriebe von ihren Reserven leben.“

Die Statistik: Genau ist nirgendwo erfasst, wie viele Milchvieh-Betriebe es in Landkreis Fürth gibt. Die Zahlen schwanken zwischen 180 und 200. 5841 Kühe wurden letztmals 2010 gezählt. Betriebe mit über 60 Tieren gibt es nur ein Dutzend. Das Amt für Landwirtschaft Fürth schätzt, dass 65 Prozent der Höfe Laufställe haben.

Die Preisverhandlungen: Die meisten Landwirte aus dem Landkreis haben sich Milcherzeugergemeinschaften (MEG) angeschlossen: in der MEG Bibertgrund der kleinere Teil, aus dem südlichen Landkreis in der weit größeren MEG Nürnberg-West. Solidarisch wollen sie besser mit den Abnehmern verhandeln.

Während die MEG Bibertgrund schon länger an die Molkerei Zott in Mertingen im Landkreis Donau-Ries liefert, hat die MEG Nürnberg-West den Hauptabnehmer Bayernland Emmentaler Käserei aus Fürth. Neue Preisverhandlungen führten aber zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.

„Wir lagen immer einen Cent unter dem bayerischen Durchschnitt pro Kilo“, sagt der Vorsitzende der MEG Nürnberg-West, Michael Hechtel. Bei Mengen, die in Tonnen gemessen werden, ein deutlicher Unterschied. Deshalb wechselt die MEG Nürnberg-West Anfang 2017 ebenfalls zur Molkerei Zott.

Die Milchbauern: Landwirt zu sein, bedeutet harte Arbeit und wenig Freizeit. Zusätzlich kommen noch viele, ständig neue Auflagen hinzu: Arzneimittelverordung, Hygienevorschriften, Rufe nach mehr Tierwohl und das geforderte Verbot der Anbindehaltung, Letzteres würde hohe Investitionen in Laufställe erfordern.

Einen davon hat Peter Königer, Landwirt aus Kreben bei Wilhermsdorf. Im März 2014 bekam Milchviehhalter Königer für das Kilo Milch 40 Cent, heute sind es 31 Cent. Königer rechnet das für einen Betrieb mit 60 Kühen und einer durchschnittlichen jährlichen Milchleistung von 500 000 Kilogramm vor: ein Einkommensverlust von 45 000 Euro pro Jahr — und das bei gleichbleibenden Kosten. Ein fairer Preis, meint Königer, liege bei mindestens 35 Cent, alles was unter 30 Cent falle, zwinge vermutlich erneut einige seiner Kollegen zum Aufgeben.

Auch Michael Hechtel, der mit seiner Familie einen Betrieb in Stein-Bertelsdorf führt, sieht sich nicht gerecht entlohnt. Vor allem der Handel habe nur auf das Quotenende gewartet, um dann mehr Druck auf die Landwirte machen zu können. 30 Cent sind auch für ihn die absolute Schmerzgrenze.

„Mehr Arbeit, aber weniger Einkommen, heißt für Landwirte die Lösung“, weiß Bettina Hechtel, Kreisbäuerin und Ehefrau von Michael Hechtel. Viele Betriebe hätten ein zweites und drittes Standbein, um die Schwankungen auf dem Markt auffangen zu können.

Die Verbraucher: Wer zur billigsten Waren aus dem Kühlregal greift, zahlt beispielsweise für den Liter Milch 59 Cent, 125 Gramm Camembert gibt es bereits für 65 Cent oder ein Fruchtjoghurt im 150-Gramm-Becher für 19 Cent.

„Wenn ich das sehe, tut es mir weh“, sagt Kreisbäuerin Hechtel. Dass Milch ein wichtiger Nährstofflieferant ist für Eiweiß, Calcium und Vitamine, ist Verbrauchern oft nur kleinste Centbeträge wert. Sie leistet ihren Beitrag zur Aufklärung des künftigen Verbrauchers, indem sie Kinder auf ihrem Hof über den Weg der Milch von der Kuh bis in den Supermarkt aufklärt.

Aber aktuell werde von den meisten Konsumenten nur nach dem billigsten Angebot gegriffen: „Wer soll bei solchen Preisen noch etwas verdienen?, fragt sie sich. „Was ist unsere Arbeit wert?“ Fair findet Bettina Hechtel das nicht.

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