"Beliebtheit gestiegen": So funktionieren Umfragen in der Meinungsforschung

8.3.2021, 06:00 Uhr
Infratest dimap ist eines der bekanntesten Institute in Deutschland. Auf dem Bild ist eine Mitarbeiterin zu sehen, die Umfragedaten auswertet.

© imago stock&people Infratest dimap ist eines der bekanntesten Institute in Deutschland. Auf dem Bild ist eine Mitarbeiterin zu sehen, die Umfragedaten auswertet.

Es ist ein tägliches Streben nach Erkenntnis: Hunderte Unternehmen beschäftigen sich in Deutschland ausschließlich mit der Frage, wie der Bürger tickt. Sie wollen wissen, wie er zu Steuersenkungen steht, ob er einen bestimmten Politiker mag oder wie gut ihm Autos mit Elektroantrieb gefallen.

Woher kommen die Ergebnisse?

Besonders wenn Wahlen anstehen, haben die Institute Hochkonjunktur. Prognosen werden abgegeben, mögliche Koalitionen kalkuliert, Kandidaten hochgejubelt oder zum Scheitern verurteilt. Trotzdem gibt es einige Menschen, die in ihrem ganzen Leben noch kein einziges Mal von offizieller Stelle zu ihrer politischen Einstellung befragt wurden. Woher kommen die Ergebnisse also?


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In Deutschland gibt es eine Vielzahl größerer und kleinerer Agenturen und Institute, die Markt- und Sozialforschung betreiben. Allein in Nürnberg arbeiten etwa zehn Anbieter, die sich allerdings vor allem mit Marktforschung befassen. Unter ihnen ist auch ein Schwergewicht der Branche, die GfK, die ihren Sitz nach einem Umzug inzwischen am Kohlenhof hat.

Politbarometer und Sonntagsfrage

Eine weitere Disziplin ist die Meinungsforschung, die sich "mit Wahrnehmung, Einstellungen und Verhaltensabsichten beschäftigt", wie Frank Knapp erklärt. Er ist Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Markt- und Sozialforscher (BVM) und Vorstandsmitglied bei Psyma, einem Marktforschungsdienstleister aus Lauf. In der Branche spreche man statt Meinungsforschung lieber von "umfragebasierter Markt- und Sozialforschung", wobei sich Marktforschung eher auf Produkte und Unternehmen, Sozialforschung auf gesellschaftliche Themen sowie Politikforschung beziehe, sagt Knapp.

Einige große Institute tauchen in der Berichterstattung immer wieder auf. Das ZDF lässt für sein Politbarometer die Zustimmung zu Parteien von der Forschungsgruppe Wahlen erfragen, der ARD-Deutschlandtrend wird von Infratest dimap ermittelt. Weitere bekannte Namen sind Forsa, INSA oder Kantar (früher Emnid). Sie wollen unter anderem bei der Sonntagsfrage die Wahlabsichten der Bürger herausfinden. Während der Corona-Pandemie fragen sie zudem immer wieder die Zustimmung der Bevölkerung zu den entsprechenden Maßnahmen ab.

Die Forscher stehen dafür zunächst vor einem Problem: Sie können unmöglich alle Deutschen nach ihrer Wahlabsicht oder Meinung zur Pandemie-Politik befragen. Erstens, weil zum Beispiel nicht jeder wählen darf, zweitens, weil die Umfrageergebnisse aufgrund der schieren Menge wohl erst vorliegen würden, wenn die Wahl oder die Pandemie schon vorbei sind. Stattdessen wird eine Stichprobe gezogen. Für viele gehen hier die Fragen los: Wer wird gefragt? Warum nicht ich? Und: Sind solche Umfragen überhaupt aussagekräftig?

Wer wird befragt?

Wer gefragt wird, wissen die Forscher vorher selbst nicht. "Wichtig ist, dass die Stichprobe eine Zufallsauswahl ist", erklärt Jacob Steinwede, Bereichsleiter Sozialforschung beim Infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft in Bonn. Das heißt: Alle Menschen, die für die Beantwortung der Fragestellung relevant sind, müssen die Chance haben, ausgewählt zu werden - und diese Chance muss bekannt sein.

Dafür stehen unterschiedliche Methoden zur Auswahl. Es gibt telefonische Befragungen, Online-Umfragen oder das persönliche Gespräch. "Alle guten Institute arbeiten multi-methodisch", sagt Steinwede, das heißt, sie kombinieren die Möglichkeiten. Kontaktiert werden die Teilnehmer zum Beispiel auf der Grundlage von Meldedaten oder über die Generierung von Telefonnummern. Bei Letzterem wird keine dubiose Quelle angezapft, sondern quasi gewürfelt.

Auf Basis von bekannten Nummernkreisen (etwa Vorwahlen) ergänzt der Computer zufallsgenerierte Ziffern. Dabei kommen viele Phantasienummern heraus, aber eben auch einige Treffer. Auf Meldedaten dürfen Unternehmen nur zurückgreifen, wenn sie für ihre Erhebung ein öffentliches Interesse nachweisen können. Dafür muss die wissenschaftliche Notwendigkeit zur Nutzung der Daten belegt werden, Grundlage dafür ist das Bundesmeldegesetz.

Einen besonderen Weg geht Civey, ein Anbieter aus Berlin, der zum Beispiel regelmäßig für Zeitungen und Magazine Umfragen durchführt. Das Unternehmen rekrutiert Teilnehmer ausschließlich über das Internet. Sie werden Teil eines Panels, wo sie mit Daten wie Alter und Geschlecht registriert sind. Nur, wenn die Stammdaten einer Person erfasst sind und mittels des Antwortverhaltens eine Verifizierung erfolgte, werden ihre Antworten auch in den Ergebnissen berücksichtigt. Andere Institute kritisieren das Vorgehen, weil hier nicht jeder Bürger die gleiche Chance hat, aufgenommen zu werden - alleine, weil nicht alle Menschen einen Internetzugang haben.

Was ist repräsentativ?

"Eine repräsentative Befragung stellt sicher, dass die Auswahl der Befragten möglichst alle Merkmale der zu erforschenden Personengruppe in verkleinertem Maßstab abbildet", erklärt Irina Roth, Pressesprecherin bei Infratest dimap. Die gezogene Stichprobe muss groß genug sein, um die Grundgesamtheit, also die Bevölkerung eines Landes oder eine bestimmte Gruppe, korrekt abzubilden.

Ein Beispiel: Wer wissen will, was Brillenträger mit einer Vorliebe für gelbe Pullis über die Corona-Impfung denken, muss dafür nicht alle Menschen dieser Gruppe befragen. Es reicht, wenn ein repräsentativer Teil zum Zug kommt. Wie viele das sind, hängt davon ab, welche anderen Merkmale außer der Brille und gelber Oberbekleidung für die Fragestellung wichtig sind - etwa Alter, Bildungsgrad, Herkunft oder Geschlecht.

Diese Ausprägungen müssen in der Stichprobe genauso vertreten sein, wie es dem Verhältnis in der gesamten Gruppe entspricht. Gibt es in der Gesamtbevölkerung viele Jugendliche und wenige 90-Jährige, dürfen auch in der Stichprobe nur wenige 90-Jährige auftauchen. Ist das Verhältnis von Männern und Frauen gleich, muss es in der Stichprobe entsprechend abgebildet sein.

"Viele denken, je höher die Fallzahl, desto repräsentativer die Studie", sagt Joachim Scholz, Pressesprecher bei Infas. "Doch wenn ich 10.000 Menschen befrage, aber versehentlich nur Männer, ist das nicht aussagekräftig für die Gesamtbevölkerung." Bei Infratest dimap, Forsa und Co. liegen die Stichprobengrößen für die Beantwortung politischer Fragestellungen etwa zwischen 1000 und 2000 Teilnehmern.


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"Das statistische Hauptproblem besteht in der Notwendigkeit, keine Person zu übersehen und keine mehrfach zu zählen", erklärt Infas-Mitarbeiter Steinwede. Fehler könne man nicht vermeiden - aber berechnen. Der sogenannte statistische Fehler, auch Standard- oder Zufallsfehler genannt, wird daher von den Instituten mit angegeben. Bei den großen Erhebungen liegt er oft bei etwa drei Prozent - was auch erklärt, warum bei Kopf-an-Kopf-Rennen wie bei den vergangenen US-Wahlen kaum verlässliche Prognosen möglich sind. Die Ergebnisse liegen so nah beieinander, dass eine Schwankung um drei Prozent das Mehrheitsverhältnis umkehren kann.

Was passiert mit meinen Daten?

Manche Befragte stehen den Menschen am anderen Ende der Leitung oder des Klemmbretts skeptisch gegenüber. Aber: "Es besteht nie ein Interesse daran, einzelne Personen auszuspionieren", betont Steinwede. Befragungsdaten, also die Antworten der Teilnehmer, werden bei Infas und anderen seriösen Anbietern getrennt von ihren Adressdaten gespeichert. Auf letztere hat nur ein ausgewählter Mitarbeiterkreis Zugriff, "das ist Fort Knox", sagt Pressesprecher Scholz. Und: "Die Adressquellen werden innerhalb der gesetzlichen Frist gelöscht", ergänzt Infratest-Sprecherin Roth.

Wie erkenne ich eine seriöse Umfrage?

Die Namen von Forsa, Insa, Infratest dimap, Infas, Kantar oder der Forschungsgruppe Wahlen stehen für seriöse Forschung. Aber es gibt auch Eckdaten, nach denen Leser die Verlässlichkeit von Umfragen selbst bewerten können. Dazu gehört, dass Ergebnisse inklusive nachvollziehbarer Methodenbeschreibung veröffentlicht werden. "Auftraggeber, durchführendes Institut, Grundgesamtheit, Ziehungsverfahren, Stichprobengröße und Grenzen der Aussagekraft sind da Mindestanforderungen", sagt BVM-Vorsitzender Frank Knapp. Infas-Sprecher Scholz hält auch die Publikation des statistischen Fehlers und der Fragestellung für relevant - hier seien auch die Medien gefordert, die entsprechende Informationen erfragen und veröffentlichen sollten.


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Stutzig sollte man werden, wenn weder die Zahl der Befragten, noch der Befragungsweg oder das Wort "repräsentativ" in der Beschreibung auftaucht. Umfragen, die nur unter Mitgliedern eines Reiseportals, einer Immobilienbörse oder einer Datingwebseite durchgeführt werden, können zwar Aufschluss über manche Nutzer geben, aber keine Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung.

"Warum nehmen Sie nicht teil?"

Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen sich weigern, an Umfragen teilzunehmen. Doch das sei noch beherrschbar, sagt Steinwede. "Wir kämpfen um die Leute, fragen, warum nehmen sie nicht teil?" Trotzdem kann Meinungsforschung nur dann gut gelingen, wenn die Bevölkerung ihre Gedanken preisgibt - auch und gerade die Skeptiker.

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