Die lauteste Orgel der Welt stammt aus der Rhön

14.6.2012, 09:42 Uhr
Die lauteste Orgel der Welt stammt aus der Rhön

© dpa

Es ist ein Instrument der Superlative: Sie ist riesig, sie ist die lauteste der Welt und sie ist eine der wenigen Freiluft-Instrumente ihrer Art: die Orgel "Vox Maris“. Majestätisch thront sie über der Weltausstellung Expo in der südkoreanischen Küstenstadt Yeosu.

Die Klangskulptur gilt als einer der Höhepunkte der Expo 2012. Das gigantische Instrument entstand in monatelanger Handarbeit in Deutschland. Genauer gesagt in Bayern. Ein kleiner Familienbetrieb aus der Rhön hat die Rekord-Orgel entworfen, konstruiert, verschifft und aufgebaut. "Die Orgel hat uns viele schlaflose Nächte bereitet“, sagt Thomas Hey, der gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder die Rekord-Orgel erschaffen hat.

Orgelbauer mit Tradition

Hey ist Orgelbauer in der sechsten Generation. Als ein koreanischer Professor vor fast zwei Jahren um ein Angebot bat, waren er und seine Familie zunächst verdutzt. "Das hat schon relativ verrückt geklungen, was er wollte“, erinnert sich Hey. Die Orgel sollte Wind und Wetter trotzen und mehrere Kilometer weit zu hören sein.

Trotzdem machten sich die Männer und ihre drei Helfer an die Arbeit. Schnell war klar: mit herkömmlichen Mitteln ist das nicht zu schaffen. "Wir haben deshalb einen komplett neuen Pfeifentypus entwickelt. Der basiert auf dem Prinzip einer Dampforgel“, sagt Hey. Das sei vergleichbar mit der Bootspfeife eines Mississippi-Dampfers und passt damit zum Thema der Weltausstellung: "The Living Ocean and Coast“ (dt: Lebendiger Ozean, lebendige Küste).

Deshalb muss auch viel Luft in die insgesamt 80 Pfeifen gepumpt werden. Das übernimmt ein Druckluftkompressor, der 20.000 Liter Luft pro Minute produziert. Er allein ist so groß wie eine Garage. Außerdem musste das Material für die Pfeifen genau gewählt werden. "Eine normale Orgel reagiert auf Temperaturunterschiede. Die Frequenz steigt um 0,8 Hertz pro Grad Celsius mehr. Im Freien hätte man dann immer das Problem, dass sie verstimmt ist“, erklärt der 35 Jahre alte Orgelbauer die Herausforderung.

Eintrag im Guinnessbuch

Gelöst haben die Heys das mit einer besonderen Baukonstruktion sowie mit einer Mischung aus Edelstahl, Kupfer und Messing. Details verrät Hey jedoch nicht. "Betriebsgeheimnis.“ Für einige Techniken will die Familie vielleicht Patente anmelden. Wie die Saiten einer riesigen Harfe stehen die 80 Orgelpfeifen mittlerweile zwischen zwei ehemaligen Betonsilos, dem sogenannten Skytower.

Die kleinste ist 1,70 Meter lang, die größte ragt zehn Meter in die Höhe. Das allein ist nicht rekordverdächtig. Ihre Lautstärke dagegen schon. Einen Meter vor der Orgel wurden 138,4 Dezibel gemessen. Das Guinnessbuch der Weltrekorde hat den Rekord im Oktober 2011 bestätigt. Die Orgel soll auch nach der Expo weiter genutzt und gespielt werden.

Für die Direktorin des Deutschen Pavillons in Südkorea, Anja Ehrke, ist die Orgel "das akustische Erkennungszeichen der Expo“. Sie erklinge täglich morgens und abends. "Die Orgel ist eine technische Meisterleistung und trägt mit dazu bei, ein positives Deutschlandbild auf der Expo in Yeosu zu vermitteln“, sagt sie. Außerdem sei das wie ein kleiner musikalischer Gruß aus der Heimat.

Tagsüber spielen zwei Organistinnen verschiedene Stücke in geringerer Lautstärke. Am 15. Juni, zum deutschen Nationentag, wird die Orgel auch eine wichtige Station des Expo-Rundgangs der deutsch-koreanischen Delegation sein.

Positives Echo in der Branche

Die laute Expo-Orgel stößt auch in der Branche auf ein positives Echo. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Bundes Deutscher Orgelbaumeister (BDO) findet die Idee und die Umsetzung "stark“. "Es ist sicherlich keine Orgel im klassischen Sinne. Mancher mag fragen: 'Was hat das mit Orgelbau zu tun?'. Aber darum ging es bei der Aufgabe ja auch gar nicht“, sagt BDO-Vizechef Frank Weimbs. Letztlich sei nur ein Orgelbauer in der Lage gewesen, die Wünsche der Südkoreaner umzusetzen, ist er sich sicher.

Die Internationale Vereinigung der Orgelbauer Iso ist ebenfalls interessiert an den neuen Entwicklungen aus der Rhön. Sie bat Thomas Hey um einen mehrseitigen Artikel für das Fachmagazin des Verbandes. Hey kann sich gut vorstellen, dass seine Familie mit der robusten und lauten Freiluftorgel eine Marktlücke gefunden hat. "Und möglicherweise kann man damit das vielleicht etwas angestaubte Image der Orgel wieder interessanter machen. Man kann zeigen, wie vielseitig die Orgel sein kann.“ Doch zunächst kehrt wieder Alltag in die kleine Werkstatt in der Rhön ein. "Unser nächstes Projekt ist eine ganz normale Orgel für eine evangelische Kirche in China."

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