Ein Joint vor der ersten Unterrichtsstunde

24.1.2017, 21:00 Uhr
Ein Joint vor der ersten Unterrichtsstunde

© Symbolfoto: colourbox.de

Auf dem Schulklo einen Joint drehen, unter dem Tisch ein Tütchen mit Marihuana gegen Bares tauschen – oder ein paar Pillen gleich gemeinsam in einer Ecke des Schulhofs einwerfen. Eigentlich verbindet man mit dem Alltag an Schulen Lehrbücher, Tafelkreide und Aufsätze. Aber Zahlen der Landeskriminalämter und der Innenministerien zeigen: Auch Drogen gehören inzwischen in diese Aufzählung.

Ob Cannabis oder chemische Keulen wie das seit rund zehn Jahren verstärkt kursierende Crystal Meth: Auf Deutschlands Schulhöfen hat die Rauschgiftkriminalität in den vergangenen Jahren teils drastisch zugenommen. In Baden-Württemberg etwa hat sich die Zahl der Drogendelikte am Tatort Schule fast verdreifacht. 2011 waren es noch 348, 2015 dagegen 939 Fälle – trotz eines flächendeckenden Suchtpräventionsprogramms.

Drogen als Lifestyle-Produkte

Auch in Sachsen-Anhalt hat sich die Zahl der Delikte – wenn auch auf niedrigerem Niveau – verdreifacht. Die Landeskriminalämter Nordrhein-Westfalen und Sachsen melden jeweils eine Verdoppelung der Fälle. Hauptsächlich geht es dabei um den Besitz oder Kauf von Betäubungsmitteln, im Fokus steht die Droge Cannabis. In den meisten Fällen erwischt die Polizei dabei Jugendliche – deutlich seltener gehören Kinder unter 14 Jahren zu den Tätern.

Doch was sind die Gründe für diesen Trend? Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und CSU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Nürnberger Land, Marlene Mortler, sieht vor allem in der "gesellschaftlichen Verharmlosung von Cannabis" einen wichtigen Aspekt dieser Entwicklung.

Ähnlich formuliert es das bayerische Innenministerium: "Die illegalen Angebote richten sich in ihrer verharmlosenden Aufmachung als Spaß- und Lifestyle-Produkte geradewegs an die internetaffine Jugend." Vor allem die Verfügbarkeit über das Internet sorge für einen überproportionalen Anstieg in diesen Altersklassen.

Über ihre Präventionsmaßnahmen geben die einzelnen Bundesländer gerne Auskunft – und beweisen Kreativität bei der Namensgebung: von FreD in Rheinland-Pfalz (Frühintervention bei erstauffälligem Drogenkonsum) über "sauba bleim" im Großraum München bis hin zum Beratungsportal "Quit the Shit" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Aber haben die Erfolg?

"Es wird viel in Sachen Prävention gemacht. Aber ob das alles nachhaltig und wirksam ist, dahinter steht ein großes Fragezeichen", sagt Eva Hoch. Die Wissenschaftlerin wertet an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in einem kleinen Forschungsprojekt Maßnahmen der Cannabisprävention aus. "Wir wissen zum Beispiel nicht, ob die Risiko-Bereitschaft nach der Thematisierung in der Schule steigt", sagt Hoch.

Dass die Gesundheitsförderung und Prävention ein integraler Bestandteil der Schulentwicklung sei, hat die Kultusministerkonferenz in einem Beschluss aus dem Jahr 2012 festgeschrieben. Der Vorsitzende des Lehrerverbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, weist aber darauf hin, dass nicht allein die Schulen die Prävention regeln könnten – und bezieht die Eltern mit ein.

"Entscheidend sind auch andere Umstände, wie die Thematisierung und der Umgang damit im Elternhaus und die Vorbildfunktion von Eltern", sagt Beckmann. Es brauche auch eine gesellschaftliche Verschärfung des Zugangs zu Drogen. Die Debatte zur Legalisierung von Cannabis ist da nicht mehr weit. Die Befürworter argumentieren unter anderem, dass das Verbot von Cannabis keinerlei positive Signalwirkung habe. Stattdessen führe das Verbot zu einer unnötigen Belastung der Polizei.

Keine Legalisierung

Marlene Mortler hält davon nichts: "Ich lehne die Freigabe des Konsums zu Freizeitzwecken ab". Eine Legalisierung würde von Jugendlichen als "staatliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" aufgefasst werden – und genau das sei nicht der Fall, sagt die CSU-Politikerin.

Den Jugendlichen müsse vermittelt werden, so Mortler, dass Cannabiskonsum keineswegs harmlos sei – "und sie damit ihr Gehirn in einer besonders sensiblen Lebensphase schädigen".

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